Eingliederungshilfe darf keine Armutsfalle sein

Veröffentlicht am von Ottmar Miles-Paul

Übergabe der Petition
Übergabe der Petition
Bild: Irina Tischer

Berlin (kobinet) Raul Krauthausen wirbelt zusammen mit Constantin Grosch und dem Team von change.org nicht nur erfolgreich für die Unterstützung der Petition für ein Recht auf Sparen. Er hat über die Plattform abgeordnetenwatch.de auch einige Abgeordnete des Deutschen Bundestages zu ihrer Haltung zur Anrechnung des Einkommens und Vermögens befragt. Vom Grundsatz bekommt er zunehmend Zustimmung, nur im Detail gibt's immer noch nichts neues.

"Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist der Ansicht, dass die Eingliederungshilfe keine Armutsfalle sein darf. Der Grundsatz 'Leistung muss sich lohnen', muss auch in diesem Fall gelten. Die bestehenden Grenzen bei der Einkommens- und Vermögensanrechnung wurden seit 15 Jahren nicht verändert. Hier wollen wir mit dem kommenden Gesetzentwurf Verbesserungen erreichen und die Grenzen stufenweise erhöhen. Denn für alle Erwerbstätigen muss sich Eigenleistung auszahlen", schreibt beispielsweise die CDU Bundestagsabgeordnete aus Brandenburg Jana Schimke.

"Es gilt der Grundsatz 'Leistung muss sich lohnen'. Das erwirtschaftete Erwerbseinkommen soll sich im Lebensstandard widerspiegeln. Das gilt auch für die Altersvorsorge. Wir wollen den beruflichen Einstieg und Aufstieg fördern sowie Familiengründungen und Partnerschaften erleichtern. Die bestehenden Grenzen bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen in der Eingliederungshilfe wurden seit 15 Jahren nicht verändert und zwingen die Betroffenen, einen Großteil ihres erwirtschafteten Einkommens (über dem doppelten Regelsatz von ca. 800 Euro zuzüglich Wohnkosten) und Vermögens (über 2.600 Euro) für die Eingliederungshilfeleistungen einzusetzen. Für diese Menschen wollen wir Verbesserungen erreichen. Leistung muss sich für alle Erwerbstätigen lohnen. Die Eingliederungshilfe soll künftig nur noch für die Fachleistung zuständig sein. Es dürfen bei der Trennung von Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen keine Lücken entstehen, die Nachteile für die Menschen bringen. Wir wollen eine stufenweise Erhöhung der bestehenden Einkommens- und Vermögensgrenzen erreichen", heißt es im Schreiben des Berliner CDU Abgeordneten Dr. Martin Pätzold im Namen der CDU Landesgruppe Berlin an Raul Krauthausen.

Lesermeinungen zu “Eingliederungshilfe darf keine Armutsfalle sein” (5)

Von Heinrich Buschmann

Die Bedarfe von Menschen mit Behinderung, gleich welcher Art, müssen gleichermaßen berücksichtigt werden. Nachteile müssen einen Ausgleich erfahren.

Die Bedarfe von Menschen mit Behinderung, ob Assistenz oder Mobilität oder was auch immer, dürfen nicht in die Armut führen. Oder ganz korrekt und umfassend: Nachteilsausgleich darf keine Armutsfalle sein.

Behindert sein ist kein gewollter Akt - es ist Schicksal, welches den "Einzelnen" sehr hart trifft, aber durch das Verständnis und die Unterstützung der Gesellschaft gemildert werden kann. Wenn, ja - wenn jeder in der Gesellschaft sich bewusst wäre, das er morgen dieser "Einzelne" sein könnte. Gemeinsam - in Mitten der Gesellschaft - und nicht "Einzeln" - isoliert und ausgeschlossen - muss unser aller Ziel sein.

Ich danke Raul und Constantin für ihren vehementen Einsatz als Multiplikatoren in der Sache! Ich wünschte jeder Betroffene hätte die Power und Charisma es Euch gleich zu tun.

Sollte das Bundesteilhabegesetz nicht all unsere Forderungen gleichermaßen erfüllen und damit unseren Bedarfen gerecht werden, hoffe ich auf den Zusammenhalt, den Zusammenschluss aller, um ein für alle Mal ein klares Zeichen zu setzen. Am Geld kann es nicht scheitern – sorgen wir für die Bewusstseinsbildung, sorgen wir für ein Erwachen der Bevölkerung – den wir sind nur die Vorreiter, derer die nach uns kommen.

Mir freundlichen Grüßen
Heinrich Buschmann
MMB-Vorsitzender

Von Heinrich Buschmann

Wie steht es um die Nachteile der Familien mit behinderten Kindern. Wie steht es um die Mobilität?
Wer setzt sich für die daraus entstehenden Nachteile ein. Die Forderung zur Abschaffung der Einkommens- und Vermögensanrechnung wird von vielen Verbänden gefordert.

Raul Krauthausen und Constantin Grosch wichtige Fürsprecher dieser zweifelsohne elementaren Forderung.

Nur - vergessen dürfen wir dabei all die anderen, ebenso wichtigen Forderungen nicht! Mobilität – der zentrale Faktor im Leben eines Menschen mit Behinderung. Was nützt ihm die Assistenz, wenn er dennoch nicht am Leben in der Gesellschaft teilhaben kann, weil die nötigen Transportmittel fehlen. Familien mit behinderten Kindern – erfahren sie einen Ausgleich für ihre extrem physisch, wie psychisch belastende Arbeit? Für einen Heimplatz würde der Staat nach geltendem Recht die Kosten aufbringen. Für den Verlust der Erwerbstätigkeit des pflegenden Elternteils, die barrierefreie Umgestaltung des Wohnraums und letztendlich wieder die Mobilität, damit der Familienverband gemeinsame Unternehmungen machen kann, fühlt er sich nicht zuständig!

Dürfen wir uns in diesen Punkten überhaupt eine Gewichtung erlauben?

Wir am Ende nur die Forderung erfüllt, für die am lautesten Protestiert wird?
Werden die Betroffenen auseinanderdividiert?

Müssen wir auf der Hut sein und aufpassen, dass man uns nicht mit ein paar wenigen Zuckerstückchen bei Laune hält?
Gehen eventuell im Getrommel der Lauten die Interessen der anderen unter?

Gerhard Bartz hat dieses Szenario bereits im letzten Jahr treffend beschrieben: http://www.forsea.de/aktuelles/Vorfahrt fuer Partikularinteressen.pdf

Die Bedarfe von Menschen mit Behinderung, gleich welcher Art, müssen gleichermaßen berücksichtigt werden. Nachteile müssen einen Ausgleich erfahren.

Verzeiht - aber das Thema ist einfach zu wichtig!!! Fortsetzung folgt.......

Von Heinrich Buschmann

Liebe Kobinet-Leser,
Liebe politisch Verantwortliche,

seit vielen Jahrzehnten kämpfen Menschen mit Behinderung um elementare Rechte. Dank der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) wurde diese Rechte zum Menschenrecht!

Ein Menschenrecht ist nicht verhandelbar!

Jeder Staat, der die UN-BRK ratifiziert hat, ist an diese Menschenrechte gebunden – kein nationales Gesetz darf gegen die UN-BRK verstoßen. Und hier fängt es doch schon an. Seit über 5 Jahren ist die UN-BRK geltendes Recht. Wurden unsere Gesetze überprüft, wurden sie geändert, damit sie nicht oder nicht mehr gegen die UN-BRK verstoßen?

Alle neuen Gesetze, auch Gesetzesänderungen müssen nach Artikel 4 der BRK BRK-konform sein. Auch dürfen sie nicht unser Grundrecht in Artikel 3 GG verletzen, bestehende Verletzungen müssen geheilt werden.

Ein leichte Aufgabe - sollte man meinen – aber nichts wurde in diese Richtung unternommen.

Menschenrechte sind nicht verhandelbar!

Das Bundesteilhabegesetz soll alles regeln. Wirklich alles? Die Verbände wurden zur Mitwirkung aufgerufen.
Missstände und Nachteile wurden aufgedeckt und immer wieder die leidigen Beschränkungen der Eingliederungshilfe.

Dabei ist diese nur ein kleiner Teil der Nachteilsausgleiche, derer wir zur Erfüllung der UN-BRK bedürfen.

Brandaktuell geht es um die Einkommens- und Vermögensanrechnung. „Wir wollen eine stufenweise Erhöhung der bestehenden Einkommens- und Vermögensgrenzen erreichen", schallt es aus den Reihen der politisch Verantwortlichen.

Wollen W I R das? – Nein, hier geht es ums Prinzip. Niemand kann wegen einer Behinderung zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn wir, die Gesellschaft eine Gleichbehandlung wirklich wollen, kann und darf es keine stufenweise Anhebung geben. Nur eine ersatzlose Streichung führt hier zum Ziel – wäre UN-BRK-koform.

Fortsetzung folgt im nächsten Brief.................

Von Wolfgang Ritter__deleted__033916

Sehr geehrter Herr Vernaldi,

wenn man Ihren Beitrag liest könnte man meinen, vieles wird anders als manche sich erträumten. Eine sich für mich stellende wichtige Frage, wem wäre denn, wenn Sie recht behielten ein scheitern besonders anzulasten? Glauben Sie, dass aus den Reihen behinderter Menschen so manch einer vielleicht eigene Fehler, in der Strategie eingesteht?

Warten wir ab bis der Referentenentwurf vorliegt, denn dann kann man besser überblicken, nach welcher Seite das Zünglein an der Waage sich neigt.

Schönen Abend

Wolfgang Ritter

Von Matthias Vernaldi

Eigentlich ging es mal darum, dass Menschen mit einem hohen Hilfebedarf gleichberechtigt sind, sie je nach Einkommen und Vermögen verdienen und sparen können – sprich: dass ihnen ihr Einkommen nicht angerechnet wird.
Und was wird nun daraus? Die Einkommensgrenzen werden etwas (vielleicht auch etwas mehr) angehoben. Aber ein großes Vermögen für ein Haus oder eine Weltreise oder ein unternehmerisches Projekt lässt sich davon trotzdem nicht bilden. Man bleibt weiterhin im Sozialhilfekäfig gefangen, nur eben etwas komfortabler als bisher. Der Makel des Hilfeempfängers bleibt haften.
Die ganze Aktion ist in der Hauptsache von Menschen mit hohem Assistenzbedarf wie Constantin Grosch angeschoben und getragen worden. Da Assistenzleistungen (vor allem in Berlin) überwiegend aus der Hilfe zur Pflege finanziert werden, werden sie nicht einmal etwas von der Anhebung der Einkommensgrenzen in der Eingliederungshilfe haben.
Es ist ein Hohn!