Untersuchung zur Wirtschaftlichkeit von Werkstätten

Veröffentlicht am von Ottmar Miles-Paul

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Bild: omp

Köln (kobinet) Welche Faktoren haben Einfluss auf die wirtschaftliche Lage einer Werkstatt für behinderte Menschen? Welche Handlungsmöglichkeiten haben die Werkstätten, um die wirtschaftlichen Ergebnisse zu beeinflussen und diese zu nutzen? Diese Fragen untersucht nun die Firma Prognos AG im Rahmen eines Untersuchungsauftrags des Landschaftsverbands Rheinland (LVR).

Werkstätten für behinderte Menschen haben den gesetzlichen Auftrag, Menschen mit Behinderung die Teilhabe und Eingliederung in das Arbeitsleben zu ermöglichen. Gleichzeitig muss eine solche Werkstatt jedoch nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen organisiert sein. Es ist ihre Aufgabe, wirtschaftlich zu arbeiten. Die Arbeitsergebnisse der Werkstätten bilden die ökonomische Basis für die Löhne für die Menschen mit Behinderung. Der LVR zahlt die Kosten für die notwendige Förderung und Unterstützung für die Werkstatt-Beschäftigten mit Behinderung, heißt es in einer Presseinformation des LVR.

Die wirtschaftliche Entwicklung der 43 Werkstätten im Rheinland sei durchaus unterschiedlich. 2013 verzeichnete etwa die Hälfte der rheinischen Werkstätten eine positive Entwicklung ihrer wirtschaftlichen Ergebnisse im Vergleich mit dem Vorjahr, während bei der anderen Hälfte die Lage stagnierte oder sich verschlechterte. Bei etwa einem Drittel der Werkstätten verschlechtere sich die wirtschaftliche Situation bereits seit einigen Jahren. "Aufgrund dieser auseinandergehenden Entwicklung hat die politische Vertretung des LVR den Auftrag erteilt, eine externe wissenschaftliche Untersuchung zur Wirtschaftlichkeit der Werkstätten durchzuführen", so LVR-Sozialdezernent Dirk Lewandrowski. Die Eckpunkte für diese Untersuchung seien gemeinsam mit den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege im Rheinland entwickelt worden. Nun ist auf der Basis dieser Eckpunkte eine Auftragsvergabe erfolgt. Die Prognos AG arbeitet mit einem Mix verschiedener sozial- und betriebswissenschaftlicher Methoden und anhand einer Stichprobe. Bis Mitte 2017 soll die Untersuchung abgeschlossen sein.

Lesermeinungen zu “Untersuchung zur Wirtschaftlichkeit von Werkstätten” (6)

Von Gisela Maubach

Interessant sind übrigens die Leitsätze dieser Gerichtsentscheidung, in denen erklärt wird, warum in Werkstätten für behinderte Menschen grundsätzlich kein Mindestlohn gezahlt wird:

http://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/portal/page/bsshoprod?feed=bssho-r-ag&showdoccase=1&paramfromHL=true&doc.id=JURE150015165

Von Gisela Maubach

Zitat aus dem Beitrag:

"Werkstätten für behinderte Menschen haben den gesetzlichen Auftrag, Menschen mit Behinderung die Teilhabe und Eingliederung in das Arbeitsleben zu ermöglichen. Gleichzeitig muss eine solche Werkstatt jedoch nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen organisiert sein. Es ist ihre Aufgabe, wirtschaftlich zu arbeiten. Die Arbeitsergebnisse der Werkstätten bilden die ökonomische Basis für die Löhne für die Menschen mit Behinderung."

Zitat-Ende

Auf der Eltern- und Betreuerversammlung der hiesigen Werkstätten wurde berichtet, dass von den etwa 900 behinderten Mitarbeitern nur 4 bis 6 Vermittlungen auf den ersten Arbeitsmarkt möglich wären - also weniger als 1 Prozent.

Es bleiben also mehr als 99 Prozent übrig, deren Wirtschaftlichkeit in der Werkstatt man jetzt für viel Geld untersuchen lassen will, obwohl der "Lohn" dieser Menschen in aller Regel sooooo niedrig ist, dass sie gleichzeitig Grundsicherungs-berechtigt sind (§ 45 Nr. 3 SGB XII).

Daran wird sich auch durch teure Untersuchungen nichts ändern.

Es stellt sich also die Frage, warum sehr viel Geld für die Untersuchung der Wirtschaftlichkeit von Sondereinrichtungen ausgegeben wird . . . anstatt endlich Maßnahmen zur tatsächlichen Umsetzung der UN-BRK zu ergreifen!

Von nurhessen

Der LVR soll sich in Grund und Boden schämen, wenn er das denn kann....

Von Gisela Maubach

Zur Prognos AG lassen sich im Internet auf Anhieb zahlreiche Beiträge finden, die alle Alarmglocken klingeln lassen, wenn man die Wirtschaftlichkeit von Menschen mit Behinderung durch die Prognos AG bewerten lassen will:

Z.B.:

http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/150818-daniel-kreutz-zur-kritik-des-regionales-pflegebudget.pdf

und hier sind auch die Kommentare unter dem Beitrag interessant:

http://www.ruhrbarone.de/liebes-prognos-ag-ihr-habt-in-eurer-kreativwirtschaftsumfrage-was-vergessen/38368

oder hier, wo unter „Teuerste Schönrederei aus Schröders Amtszeit“ die Kosten der Prognos AG zu erkennen sind:

http://www.welt.de/politik/deutschland/article120223408/13-Millionen-Euro-fuer-Familienstudie-ohne-Folgen.html

oder unter folgendem Link findet man dieses Zitat:

„Die Gutachter der Prognos-AG lassen deutlich erkennen, dass es ihnen nicht um die berechtigten Anliegen der Eltern und Kinder geht, sondern nur um die Profitmaximierung für die Wirtschaft. Möglichst viele Leistungen, die direkt in die Familien fließen, sollen entzogen werden, . . . “

https://charismatismus.wordpress.com/2013/02/07/kritik-an-den-familienfeindlichen-und-einseitig-wirtschaftsorientierten-tendenzen-des-staatlich-beauftragten-familien-gutachtens/

"Profitmaximierung für die Wirtschaft" . . . was dürfen wir da erwarten?

Von Gisela Maubach

"Der LVR zahlt die Kosten für die notwendige Förderung und Unterstützung für die Werkstatt-Beschäftigten mit Behinderung, heißt es in einer Presseinformation des LVR."

Mit diesem Zitat aus dem vorliegenden Beitrag widerspricht der LVR sich selbst, denn der LVR zahlt Pauschalen ohne Berücksichtigung der individuellen Notwendigkeit.
Bei hohem Unterstützungsbedarf verweist der LVR auf das "sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis", das "gesetzlich in den §§ 75 ff. SGB XII als Sachleistungsprinzip in der Gestalt der sogenannten Sachleistungsverschaffung ausgestaltet ist."

Bei unzureichendem Personalschlüssel verweist der LVR darauf, dass sich die wesentlichen Leistungsmerkmale ausschließlich aus der Werkstättenverordnung, dem Landesrahmenvertrag gemäß § 79 Abs. 1 SGB XII sowie der entsprechenden Beschreibung des Leistungstyps 25 ergeben würden. Der LVR erklärt ganz klar, dass es ihm als überörtlichem Sozialhilfeträger nicht (!) obliegt, "unmittelbar auf den Personalschlüssel der Werkstatt Einfluss zu nehmen".
Im Streitfall sollen Menschen mit hohem Betreuungsbedarf sich also an die Werkstatt wenden, so dass ein Rechtsstreit in die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts fallen würde. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht NRW bereits festgestellt, dass die Werkstätten keinen hohen Betreuungsbedarf decken müssen, weil sie ein Ort der Arbeit sind. Wer behinderungsbedingt aber gar nicht arbeiten KANN und einen hohen Betreuungsbedarf hat, hat also keine Chance, den individuellen Anspruch gegen die Werkstatt durchzusetzen . . . und der Kostenträger LVR kann sich darauf berufen, dass er auf den Personalschlüssel der Werkstatt keinen Einfluss nehmen könne.

Wird die Prognos AG auch berücksichtigen, wie man sich beim Thema Wirtschaftlichkeit als Angehörige eines arbeitsunfähigen Menschen fühlt?

Von nurhessen

Dass die Werkstätten für behinderte Menschen nach den Prinzipien der Betriebswirtschaftlichkeit arbeiten, ist kein Geheimnis.

Fragen/Forderungen:
- Untersucht die Prognos AG auch den möglichen „Filz“ und/oder Korruption der Verantwortlichen in den Aufsichtsräten der betreffenden Werkstätten?
- Mit welchem Recht werden zu Spenden für Werkstätten für behinderte Menschen bei wirtschaftlich arbeitenden Unternehmen aufgerufen?
- Wer profitiert von diesen Spenden?
- Mit welchem Recht tragen die Werkstätten der Lebenshilfe bei wirtschaftlicher Orientierung den Rechtsformzusatz „Lebenshilfe e.V.?“
- Prognos AG möge die ungerechtfertigte steuerliche Begünstigung der Werkstätten mit diesem Rechtsformzusatz ebenfalls untersuchen!