Live-Übertragung der Debatte am Brandenburger Tor

Veröffentlicht am von Ottmar Miles-Paul

Plakat für die Demo am 22.9.2016 am Brandenburger Tor
Plakat für die Demo am 22.9.2016 am Brandenburger Tor
Bild: Abilty Watch

Berlin (kobinet) Für den 22. September ruft Ability Watch, ein Zusammenschluss behinderter Menschen, die sich bundesweit für gleichberechtigte Teilhabe, Barrierefreiheit und ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen stark machen, ab 10:00 Uhr vor dem Brandenburger Tor zu einer Kundgebung unter dem Motto "We are watching you" auf. Neben der Live-Übertragung der im Bundestag stattfindenden ersten Lesung des geplanten Teilhabegesetzes werden hier die Personen zu Wort kommen, die von dem geplanten Gesetz betroffen sind.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf für ein Bundesteilhabegesetz stößt bei den Betroffenen auf massive Kritik. "Der Entwurf gibt vor, die Selbstbestimmung behinderter Menschen zu stärken. Tatsächlich aber stützt er bisherige Strukturen der Fremdbestimmung und führt sogar neue Regelungen ein, die eine Teilhabe noch schwieriger machen", erklärt Constantin Grosch, Behindertenrechtsaktivist und Gründungsmitglied von Ability Watch. "Das Teilhabegesetz in dieser Form ist ein reines Spargesetz und verletzt Menschenrechte behinderter Menschen", konstatiert er.

Konkret kritisieren die Aktivisten u.a., dass sich die Regierung weigert, Menschen mit Behinderung zuzusichern, dass sie nicht zum Leben in einem Heim gezwungen werden können. "Das Gesetz muss den Betroffenen garantieren, dass sie ihre Wohnform frei wählen dürfen. Hierzu hat sich Deutschland schon 2009 in der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet. Dennoch wird dies von Ämtern missachtet. Das neue Gesetz muss hier für Klarheit sorgen und behinderten Menschen die Wahlfreiheit zusichern. Stattdessen steht im Entwurf die Kostenabwägung im Vordergrund", erläutert Nancy Poser, die auch im Forum behinderter Juristinnen und Juristen mitarbeitet.

Das neue Gesetz soll zudem erstmals eine Praxis legalisieren, die Menschen mit Behinderung zum Leben in Zwangsgemeinschaften zwingt, weil sie sich eine Assistenzkraft teilen sollen. "Man muss dann mit wildfremden Menschen sein Leben verbringen, Aktivitäten sind nur in der Gruppe möglich und eine eigene Tagesplanung gibt es nicht mehr", befürchtet der Berliner Inklusions-Aktivist Raul Krauthausen.

Die Regierung hingegen hebt Verbesserungen bei der Einkommens- und Vermögensanrechnung für die Betroffenen und ihre Partner hervor. "Nicht einmal diese Fortschritte gelten für alle Menschen mit Behinderung. Die meisten Personen, die zur Eingliederungshilfe auch Hilfe zur Pflege bekommen, dürfen auch nach den neuen Regelungen nicht sparen und ihre PartnerInnen werden weiterhin arm gemacht", erklärt Constantin Grosch, der auf der Plattform change.org zu diesem Thema in den vergangenen Jahren weit über 300.000 UnterstützerInnen gewinnen konnte.

Zudem befürchten die AktivistInnen, dass viele Personen gar keine Eingliederungshilfe mehr erhalten werden. "Dass man aufgrund einer Behinderung zwingend Hilfe in einem bestimmten Bereich des Lebens benötigt, genügt nicht mehr. Wenn das Amt einschätzt, dass man damit nicht ausreichend behindert ist, gibt es gar keine Unterstützung mehr", kritisiert Raul Krauthausen.

Ability Watch wird die erste Lesung des Gesetzentwurfs zum Bundesteilhabegesetz im Deutschen Bundestag auf einer Großleinwand vor dem Brandenburger Tor übertragen. "Die Idee hinter der Aktion ist, dass sich Abgeordnete im Klaren darüber sein sollen, dass wir genau beobachten und wahrnehmen, wie sie sich zum Thema Menschenrechte für Menschen mit Behinderung stellen", erläutert Nancy Poser, eine der Mit-Initiatoren. Da die Regierung sich bislang weigert, das Recht auf eine freie Wahl der Wohnform festzuschreiben, werde man sich zudem anlässlich der Veranstaltung symbolisch auf Zwangseinweisungen ins Heim vorbereiten.

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