Vorerst kein Teilhabeausweis

Veröffentlicht am von Hartmut Smikac

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Berlin (kobinet) Der Schwerbehindertenausweis wird vorerst nicht in Teilhabeausweis umbenannt. Das teilt der Pressedienst des Deutschen Bundestages mit, nachdem der Ausschuss für Arbeit und Soziales am Mittwochvormittag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen einen entsprechenden Antrag der FDP-Fraktion gestimmt hat.

Diesen Antrag hatte die FDP gestellt, weil in mittlerweile vier Bundesländern (Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz) Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben, eine Ausweishülle zu beantragen, welche den Schwerbehindertenausweis verdeckt und stattdessen von außen sichtbar den Namen „Schwer-in-Ordnung-Ausweis“ zeigt.

Für den Antrag stimmten neben der FDP auch die AfD-Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen. Die Fraktion Die Linke enthielt sich.

Trotz ihrer Ablehnung bei der Abstimmung äußerten Union und SPD große Sympathien für das Anliegen der FDP-Fraktion. Sie mahnten jedoch an, dass eine solche Namensänderung nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden werden sollte. Statt dessen sei ein breiter angelegter Diskussionsprozess über Fragen der Mitbestimmung und Teilhabe nötig, den man im Vorfeld führen sollte, hieß es von beiden Fraktionen. Die Linke enthielt sich, weil sie hinter dem Antrag reine Symbolpolitik vermutete, die an den Ursachen mangelnder gesellschaftlicher Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nichts ändere. Die Grünen stimmten für den Antrag, "in der Erwartung, dass wir inhaltlich weiter vorankommen". Und die AfD mahnte ebenfalls, bei einer Namensänderung dürfe es nicht bleiben, sie sei aber ein wichtiges Zeichen.

Lesermeinungen zu “Vorerst kein Teilhabeausweis” (18)

Von Sven Drebes

@TN:
Abgrenzung zur AfD ist zweifellos notwendig. Genauso notwendig ist es aber, dass sich die 5 anderen Fraktionen nicht von der AfD "jagen" lassen. Dazu gehört gerade auch, Dinge, die man für gut oder ok hält, nicht nur deshalb plötzlich schlecht zu finden, weil die AfD sie auch gut oder ok findet. Täten sie das, könnte die AfD alle anderen vorführen und mit einem Achtel der Wählerstimmen die Politik bestimmen.
Und es spielt sehr wohl eine Rolle, ob ein Antrag von der AfD stammt oder die AfD einem Antrag zustimmt, der von einer anderen Fraktion kommt.

Von TN

@ Sven Drebes:

Sie schreiben:
"... Der Antrag kam ja von der FDP, nicht von der AfD. Man kann durchaus bei einem Thema aus verschiedenen Richtungen zu ähnlichen Ergebnissen kommen. ..."
Meinen Sie nicht, dass politische Trennschärfe äußerst vonnöten ist? Und es vonnöten, dass zwischen Grün und A*D eine politische Trennschärfe besteht?

"... Wenn ich Ihre Logik anwenden würde, stünden Sie der AfD seehr nahe, schließlich hetzen Sie hier regelmäßig gegen Frau Merkel, alle anderen Parteien und alle, die nicht Ihre Meinung teilen, genauso, wie es die AfD tut. Dass Sie das aus einer anderen politischen Richtung tun, ist mir durchaus bewusst, auch wenn ich sie bisher nicht einordnen kann. ..."

In welches Polit-Kästchen haben Sie mich für heute einsortiert?

Es lässt sich nicht leugnen, dass die A*D gemeinsam mit der FDP und den Grünen dem Antrag zugestimmt haben.
Dagegen hilft (auch von Ihrer Seite aus) kein Leugnen mehr. Es ist (auf das Ergebnis - nämlich Abstimmungsgemeinschaft zum Herbeiführen eines Abstimmungsergebnisses auf Grundlage gleicher, vorhandener Abstimmungsinteressen - bezogen) egal, wer den Antrag zur Abstimmung eingebracht hat.
Entweder, jemand oder eine Partei ist gegen die A*D und ihre Interessen oder jemand liebäugelt mit den Interessen der A*D und dem Durchsetzen der A*D-Interessen.
Nur sollte 'man' sich vorab gewahr sein, was für Auswirkungen das nachfolgend haben _könnte_, wenn 'man' (als Partei) nicht mehr erkennbar sein wird, wohin sich das politische Fähnchen, mithin der politische Grundton, das politische Grund- und Hintergrundrauschen besteht.

Von TN

@ Behindert im System:

Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Von TN

@ TN

Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Von Behindert_im_System

Von TN

Zitat:
Die Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag arbeitet mit der A*D zusammen.

Warum wurde uns diese Nachricht bisher vorenthalten?

Kleiner Scherz am Rande und schöne Grüße nach Berlin.

Von Sven Drebes

@TN:
Wenn Sie und ich in bestimmten Punkten z.B. Frau Maubach zustimmen, heißt das doch noch lange nicht, dass wir beide im Großen einer Meinung sind, oder? Der Antrag kam ja von der FDP, nicht von der AfD. Man kann durchaus bei einem Thema aus verschiedenen Richtungen zu ähnlichen Ergebnissen kommen.
Wenn ich Ihre Logik anwenden würde, stünden Sie der AfD seehr nahe, schließlich hetzen Sie hier regelmäßig gegen Frau Merkel, alle anderen Parteien und alle, die nicht Ihre Meinung teilen, genauso, wie es die AfD tut. Dass Sie das aus einer anderen politischen Richtung tun, ist mir durchaus bewusst, auch wenn ich sie bisher nicht einordnen kann.

Von TN

@ Frau Maubach:
In dem Bericht bei kobinet steht es sogar geschrieben, dass es nur um die Formalität geht, nur um die Hülle des Ausweises - und nicht um eine Gesetzesneuschreibung oder so:

"... eine Ausweishülle zu beantragen, welche den Schwerbehindertenausweis verdeckt ..."

Und noch viel interessanter hierbei diese Aussage:

"... Für den Antrag stimmten neben der FDP auch die AfD-Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen. ..."

Die Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag arbeitet mit der A*D zusammen. Schließt sich deren Abstimmungsverhalten an. Wer jetzt noch nicht sieht, in welche politische Himmelsrichtung die politischen Fähnlein der Grünen hinwehen, dem ist nicht mehr zu helfen. Bei der FDP war es nicht anders zu erwarten, dass die der A*D und deren politischer Himmelsrichtung zugetan sind.

Frage:
Wie war das Abstimmungsverhalten der CDU/CSU und der SPD?

Von Behindert_im_System

Zitat:

"wenn ISL als Dachorganisation vieler Selbsthilfezentren"

Welche Interessen werden denn dann vertreten? Wir kritisieren immer die Sozialwirtschaft, setzen wir die Brille mal ab und schauen auf dass, was uns immer hier als die Würde des Menschen verkauft wird und sich langsam aber sich als Konzern entwickeln könnte, wo das Schicksal des behinderten Menschen in den Hintergrund gerät. Die Kritik ist kein Neid, soll aber zu verstehen geben, dass außerhalb des ISL auch noch Menschen existieren, welche 1 + 1 zusammenzählen können.

Von Gisela Maubach

Lieber Dr. Theben,

wenn ISL als Dachorganisation vieler Selbsthilfezentren auch die Pflegebedürftigenvertretung übernimmt, dann wäre es wünschenswert, dass nicht auch hier wieder ganze Personengruppen "vergessen" werden und die am schwersten Belasteten auf sich gestellt werden.

Was mich betrifft, bin ich bereits weit über meine Belastungsgrenzen hinaus tätig und habe keinerlei Chance, aus einem 24-Stunden-Tag noch weitere Stunden herauszuholen.

Hinzu kommt, dass ich im Alter von nun 61 Jahren nicht die Absicht habe, meine Tätigkeit als pflegende Angehörige wieder auszubauen.
Dass ich nun wieder mehr Windeln wechseln muss als zuvor, wird dadurch verursacht, dass der Kostenträger des Budgets keine Weiterbewilligung erteilt hat, so dass das Budget im Juni nun ausgelaufen ist und wir erst wieder klagen müssen.

Ich bin also gezwungen (!), für die Pflege und Betreuung zur Verfügung zu stehen, da mein Sohn sonst unversorgt wäre und bei Zwangseinweisung in einem Heim wahrscheinlich nicht mehr lange leben würde. Er lässt sich nur von ihm vertrauten Menschen versorgen, und insbesondere die lebensnotwendigen Antiepileptika werden von ihm verweigert und lassen sich nur mit viel Zeit, Tricks und Vorhersehbarkeit seiner möglichen Reaktionen verabreichen.

Eine zusätzliche Kampf-Front in Sachen Pflege ist für mich daher undenkbar, zudem ich nur noch mit der Angst lebe, funktionieren zu müssen und nicht krank werden zu dürfen (abgesehen von meinen chronischen Rückenschmerzen und der Arthritis mit dicken Knoten in den Fingergelenken).

Ich empfinde mein Leben nicht mehr als lebenswert, da sämtliche Menschenrechte, die hier ständig thematisiert werden, für mich als Mutter, die bis ins Rentenalter rund um die Uhr belastbar sein muss, nicht zu gelten scheinen.

Wir werden durch Erschöpfung mundtot gemacht, damit dann wieder jeden zweiten Tag das Wahlrecht thematisiert werden kann . . . und was vorne auf dem Behindertenausweis draufstehen soll. Diese Sorgen möcht ich haben . . .

Von Dr. Theben

Was den Pflegekongress betrifft hätte ich meinen Beitrag dazu auch gerne direkt dort eingestellt - nun denn...:

Ich hoffe diese Arbeitsgruppen erleiden nicht das gleiche Schicksal wie jene seinerzeit beim BMAS zum Bundesteilhabegesetz. Was ISL e.V. betrifft: Die zitierten Forderungen von Sigrid Arnade teile ich. ISL ist Dachorganisation vieler regionaler Selbsthilfezentren,diedas Arbeitgebrrmodell erstritten haben. Insofern passt m.E. die Bezeichnung, wenn Sie auch inhaltlich missglückt ist.

Was den Beitrag von Ihnen, Frau Maubach betrifft: Auch hier stimme ich inhaltlich zu. Die betroffenen Angehörigen sollten sich hier m.E. noch stärker vernetzen und organisieren. Den ich verstehe, daß man sich hier nicht (nur) von BV Lebenshilfe vertreten lassen möchte - oder dem VdK. Vielleichtwäre das hier eine geeignete Initiative...http://www.wir-pflegen.net/wir-ueber-uns/ziele-leitlinien/ aber wahrscheinlich kennen Sie die schon...

Solidarische Grüße an Alle

DR. THeben

Von Gisela Maubach

@ TN

Auch ich wundere mich, dass ISL sich als Pflegebedürftigenvertretung betrachtet.

Wie einseitig die Diskussion auch hier ist, erkennt man u.a. an diesem Zitat:

"Mit dem Ziel, den Arbeitsalltag und die Arbeitsbedingungen von beruflich Pflegenden rasch spürbar zu verbessern, werden verschiedene Aspekte der Thematik in fünf Arbeitsgruppen bis zu einem Jahr lang bearbeitet."

Warum nur beruflich Pflegende?

Ich wechsele nun seit 31 (!) Jahren die Windeln meines Sohnes, weil er aufgrund seiner schweren geistigen Behinderung auch pflegebedürftig ist.
Aktuell ist das Persönliche Budget für ihn ausgelaufen. Der Weiterbewilligungsantrag Anfang Mai blieb erstmal 5 Wochen ohne jegliche Reaktion, und anschließend (!) fing man an, von mir (!) überflüssige Unterlagen anzufordern und mit der Mitwirkungspflicht zu drohen.
Gleichzeitig wurde mir nach diesen 5 Wochen mitgeteilt, dass eine "fließende" Weiterführung des Persönlichen Budgets "nicht möglich" (!) sei.

Da mein Sohn also bewusst unversorgt gelassen wird, bin ich nun also gezwungen, auch im 32. Jahr noch die Windeln zu wechseln und 24 Stunden pro Tag an 7 Tagen pro Woche verfügbar zu sein.

Obwohl meine Lebensleistung kaum größer sein kann, habe ich eine 3-stellige Rente zu erwarten.

Es wird allerhöchste Zeit, dass wir Angehörigen nicht nur mit einem Bundesverdienstkreuz abgespeist werden, um unsere Leistung zu honorieren.
Uns wäre schon geholfen, wenn die Kostenträger verpflichtet würden, sich an geltende Gesetze zu halten und nicht mit Leistungsverweigerung unseren Zusammenbruch zu erzwingen.
Auch wir haben Menschenrechte, an denen nicht länger vorbeigeredet werden darf.

Und ob der Schwerbehindertenausweis nun Teilhabeausweis heißt oder nicht, steht in der Prioritätenliste soooo weit unten, dass sich die Frage ergibt, ob die Politik sich nur noch mit Fassaden beschäftigt oder zukünftig vielleicht auch mal mit den wirklich wichtigen Problemen der Betroffenen.

Von TN

Sieht sich die ISL seit neuem als "Pflegebedürftigenvertretung"?

Von TN

Da für die Meldung, dass ISL an einem, von der Bundesregierung organisierten Pflegekongress teilgenommen hat, ein Kommentarfenster nicht vorgesehen wurde (Assistenz geht demnach nicht Alle an(?), pappe ich hier meinen Kommentar 'ran:

Kobinet schreibt: "Als eine der sechs Organisationen der Pflegebedürftigenvertretung waren wir zwar auch eingeladen worden, ..."

Frage: Von wem stammt das Wort: "Pflegebedürftigenvertretung", dass in dem Bericht über die ISL-Teilnahme an dem Pflegekongress verwendet wurde.

Wieso war es ein Pflegekongress (und kein Assistenzkongress)? Haben alte Menschen nur ein Recht auf (fremdbestimmte) Pflege (und kein Recht auf selbstbestimmte Assistenz)?

Von valendra

Herr Dr Theben
kann ihnen als Betroffene, GdB 100% und diversen weitern Merkzeichen nur Recht geben.

Diplom Juristin Daniela Piehl

Von Sabine Fichmann


"Trotz ihrer Ablehnung bei der Abstimmung äußerten Union und SPD große Sympathien für das Anliegen der FDP-Fraktion. Sie mahnten jedoch an, dass eine solche Namensänderung nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden werden sollte".

Über die Köpfe der Betroffenen hinweg ein Bundes "teilhabegesetz" einzuführen, das in Teilen seinen Namen nicht verdient und die Situation vieler Betroffener sogar verschlechtert hat, hat die Regierungskoalition jedoch nicht gestört...

"Die Linke enthielt sich, weil sie hinter dem Antrag reine Symbolpolitik vermutete, die an den Ursachen mangelnder gesellschaftlicher Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nichts ändere."

Genau so ist es...

Von Beri Becker

Der Meinung schließe ich mich an. Ich bin diese ewige Vokabelkosmetik auch schon lange leid. Das dient doch nur dazu, die echten Probleme zu verschleiern. Stattdessen wird es dringend Zeit für Taten!

Von Dr. Theben

Es zeigt jedenfalls, daß diese Gro-Ko nicht mal zur symbolischen Teilhabepolitik fähig zu sein scheint, geschweige den zu einer Substantiellen!

DR. THeben

Von Behindert_im_System

Haben die wirklich nichts anderes mehr zu tun? Ist es nicht egal wie man das Stück Plastik nennt mit welchem man ohne Merkzeichen nicht mal die Nudeln bei Aldi verbilligt bekommt? Heute ist es der Ruf nach der Teilhabe, morgen nach Inklusion und übermorgen nennen wir es dann Freundschaftsausweis weil wir ja alle Freunde sind. Mich würde wirklich interessieren welch geistige Tiefflieger sich laufend so eine Scheiße einfallen lassen? Nicht die Bezeichnung ist wichtig, sondern dass was man letztendlich daraus macht und da erkenne ich momentan nur eins, viel Lärm um nichts wie man an den ganzen Ergebnissen sieht.