Offener Brief zur Umsetzung des Rechts auf Elternassistenz in Berlin

Veröffentlicht am von Andrea Schatz

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Bild: Sugi Winkler

Berlin (kobinet) Gemeinsam mit 12 mitunterzeichnenden Organisationen versandte das Netzwerk behinderter Frauen Berlin e.V. Ende Oktober 2018 einen Offenen Brief zum Thema „Elternassistenz“ an Elke Breitenbach, die Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales.
Gefordert wird, das in der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) festgeschriebene elementare Recht von Eltern mit Behinderungen und chronischen Krankheiten, ihre Kinder eigenverantwortlich zu versorgen, endlich auch in Berlin umzusetzen. Die Unterzeichnenden halten die derzeitige Praxis der Vergabe von Elternassistenzleistungen in Berlin für untragbar und nicht mit dem neuen Teilhaberecht vereinbar.
Das in der BRK enthaltene Recht auf Elternassistenz wurde durch das Bundesteilhabegesetz endlich ausdrücklich geregelt. In § 78 Abs. 3 SGB IX Assistenzleistungen heißt es: „Die Leistungen für Assistenz nach Absatz 1 umfassen auch Leistungen an Mütter und Väter mit Behinderungen bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder.“
Aber in Berlin stoßen die betroffenen Eltern bei den Bezirksämtern immer wieder auf Unverständnis und Unkenntnis. „Bereits im Vorfeld sind viele Familien mit fehlerhaften Auskünften konfrontiert, was die Antragstellung erschwert oder sogar verhindert. Nach der Beantragung kommt es oft zu einem Hin und Her zwischen verschiedenen Ämtern. Mitunter werden Eltern unberechtigt zum Jugendamt verwiesen“, so Katharina Holl vom Netzwerk behinderter Frauen Berlin e.V..
Auch werde nur ein sehr niedriger Stundensatz bewilligt, der nicht einmal den gesetzlichen Mindestlohn für die Assistenzkräfte ermögliche.
Die Unterzeichnenden des Offenen Briefes kritisieren die erhebliche finanzielle und organisatorische Benachteiligung im Vergleich zu Leistungen der Pflege- und persönlichen Assistenz. Häufig erfordere die Behinderung des Elternteils, mit dem die Assistenzkraft ununterbrochen zusammenwirken muss, eine Anstellung von geschulten Kräften. Die Aufgaben könnten nicht einfach von per Aushang angeworbenen Babysittern ausgeführt werden, wie von den Ämtern gern unterstellt werde. Nicht zuletzt im Sinne des Kindes sei eine Leistungsgewährung „aus einer Hand“ mit möglichst wenigen familienfremden Hilfspersonen wichtig.
Die aktuelle Praxis in Berlin habe zur Folge, dass viele Eltern von ihrem Recht auf Elternassistenz keinen Gebrauch machen. Das gehe zulasten der Familien.
Deshalb fordert das Bündnis von Allgemeiner Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin (ABSV e. V.),  Arbeitsgemeinschaft für selbstbestimmtes Leben schwerstbehinderter Menschen (ASL e.V.), Berliner Assistenz Verein e.V., Berliner Behindertenverband (BBV e.V.), Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern (bbe e. V.), Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (dvbs e.V.), Eltern beraten Eltern von Kindern mit und ohne Behinderung (EbE e.V.), Elternverein hörbehinderter Kinder Berlin/Brandenburg e.V., Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL e.V.), Netzwerk behinderter Frauen Berlin e.V., Rad und Tat - Offene Initiative Lesbischer Frauen (RuT e.V.), Schwerhörigen-Verein Berlin (SVB e.V.) und Zufluchtswohnungen für Frauen (ZUFF e.V.):

  • die Gleichstellung der Elternassistenzleistungen mit Leistungen der persönlichen Assistenz und Pflegeassistenz (ehemals Leistungskomplex 32),
  • eine sofortige Überarbeitung des Rundschreibens I Nr. 01/2012 über Leistungen zum Ausgleich von behinderungsbedingten Einschränkungen bei der Betreuung und Versorgung von Kindern im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII oder Hinweis an alle Bezirksämter, dass der festgelegte (Höchst-)Stundensatz dem Stundensatz der persönlichen Assistenz anzupassen ist,  
  • funktionierende Beratungsstrukturen in den Sozialämtern (bzw. in den neuen Teilhabeämtern), um behinderte Eltern über ihre Rechte aufzuklären.