70 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Veröffentlicht am von Gerhard Bartz

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Bild: UN

Hollenbach (kobinet) Noch unter den verstörenden Erfahrungen des zweiten Weltkrieges stehend, beschlossen heute vor 70 Jahren die Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR). Sie schufen damit ein Instrument, das Verstöße gegen diese Erklärung gerichtlich verfolgbar machte. Bei der Entstehung der Behindertenrechtskonvention (BRK) viele Jahre später achtete die UN strikt darauf, dass diese an keiner Stelle über diese AEMR hinausgehende Regelungen enthielt.

Keine Umsetzung gegen die Gesellschaft

Ein Kommentar von kobinet-Redakteur Gerhard Bartz

Obwohl Deutschland vorbehaltslos die BRK unterschrieb, selbst alle Bundesländer setzten ihre Unterschriften darunter, tut sich Deutschland sehr schwer damit, diese auch um- und durchzusetzen. Man kann es kaum fassen: Mit der Verweigerung maßen sich die beiden Staatsgewalten Legislative und Exekutive an, selbst zu entscheiden, wieviele Menschenrechte für Menschen mit Behinderungen der Gesellschaft zuzumuten ist. Schließlich ist die BRK in Deutschland geltendes Recht, in vielen Bereichen sogar direkt umzusetzen. In allen anderen Bereichen müssen bestehende Gesetze im Lichte der BRK interpretiert werden. Bei Novellierung von Gesetzen durch den Gesetzgeber, bei der Anwendung dieser Gesetze durch die Behörden. Lediglich die Judikative kommt oftmals dieser zwingenden Vorgabe nach. Die Gesetzgebung hat dagegen in meinen Augen total versagt. Und die Behörden suchen ohnehin stets die billigste Lösung. Dies wird dazu noch dadurch begünstigt, dass sich unsere Sozialgesetzbücher und hier besonders das SGB XII zu einem undurchschaubaren Wust entwickelt haben, ergänzt durch Verordnungen der Bundesländer.

Im Artikel 8 der BRK hat sich Deutschland dazu verpflichtet, den Bewusstseinswandel in der Bevölkerung zu fördern. Daran ist in unserer Gesellschaft nur wenigen gelegen. Denn dieser würde bewirken, dass auch in den Köpfen von Menschen ohne Behinderung die Erkenntnis Raum greift, dass alle Menschen, ob behindert oder nicht, im Besitz der selben Grundrechte sind, die ihnen niemand absprechen kann. Dann würde ein Beamter, der gegen die Inklusion klagen möchte, disziplinarisch verfolgt. Dann müsste niemand in Panik verfallen, wenn behinderungsbedingte Nachteilsausgleiche erforderlich werden. Aber dazu braucht es den Bewusstseinswandel in der Gesellschaft. Solange der nicht stattfindet, werden  Regierungen und Behörden weiterhin übergriffig auf unsere Ansprüche reagieren. Nur, wie bringt man die Gesellschaft dazu, einen jahrhundertelang ausgetretenen Aussonderungspfad zu verlassen, nachdem auch alle Nachkriegsregierungen auf diesem weitergewandelt sind. Wetten, dass die Gesellschaft Kosten spart, wenn sie jedem behinderten Menschen das gibt, was er als Nachteilsausgleich benötigt und dafür alle diejenigen, die bislang für das Gegenteil unterwegs sind, einer sinnvollen Ersatzverwendung zuführt? Man braucht keine Ausbildung oder gar Studium, um eine Vorgabe des Landessozialgerichts Baden-Württemberg umzusetzen: "Der Teilhabebedarf besteht im Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile; maßgebliche Vergleichsgruppe ist der nichtbehinderte und nicht sozialhilfebedürftige Mensch vergleichbaren Alters." (Az.: L 7 SO 1119/10 14.04.2016). Statt "Eingliederung", "Pflege", "Teilhabe", die lediglich dazu geschaffen sind, Bedarfe klein zu rechnen, braucht es einfach einen Nachteilsausgleich. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!

Link zu den Seiten "Behindertenrechtskonvention" und "Unsere Verfassung" auf der ForseA-Homepage

Lesermeinungen zu “70 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte” (8)

Von Behindert_im_System

Hallo Kirsti,

ob man es nun als Papier bezeichnet oder welchen Namen man benutzt ist zweitrangig. Es sind Empfehlungen die erteilt wurden welche dann zu dieser Konvention führten, aber keinen Rechtsanspruch daraus ableiten lassen, zumindest nicht für den Einzelfall und das auch nicht in Deutschland.

Prüfungsberichte ohne Konsequenzen und das nach 10 Jahren der BRK und deren in Krafttreten, zeigen doch eigentlich was man von der ganzen Geschichte zu halten hat.

Vieles würde sich ändern, wenn diese ganzen Sonntagsredner und Begründer von immer wieder neuen Ideen, Studien und was diesen noch so alles einfällt nicht immer einknicken würden, wenn wieder eine Förderung in Aussicht gestellt ist.

Von gerhard

Nachdem das Gesetz vom Bundespräsidenten unterschrieben und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, ist es geltendes Recht, das bisher durch alle Instanzen Anwendung findet. Ihre Einwände begegnen mir heute zum ersten Mal. Sie geben schon gar keine Legitimation für das Bundesteilhabegesetz, das unberechtigt vorgibt, die Behindertenrechtskonvention umzusetzen.

Von kirsti

@B_i_S
Wenn Sie die UN-BRK, die Behinderten-Rechtskonvention als „Papier“ bezeichnen, so ist dies für mich nicht mehr nachvollziehbar. Die UNO, das heißt im Klartext die Vereinten Nationen, erlassen im Allgemeinen keine „Papiere“. Nichts für ungut: Aber ein Mr. Trump könnte sich dieser Ansicht über die UNO durchaus anschließen.
Diesen Vergleich würden Sie doch hoffentlich für sich als „mündigen Bürger“ der Bundesrepublik Deutschland ablehnen wollen.
Grüße

Von Behindert_im_System

@Von gerhard

Zitat:

Mit der einstimmigen vorbehaltslosen Zustimmung des Bundesrates haben die Länder ebenfalls unterschrieben.

Sehr geehrter Herr Bartz,

vielleicht sollten Sie sich mit der Drucksache des Bundesrates zur Thematik der BRK auseinandersetzen. Die Zustimmung und Unterzeichnung durch die von mir benannten Personen war bereits erfolgt, da der Bundesrat erst später abnickte, man war sozusagen vor vollendete Tatsachen gestellt. Selbst Rechtsprofessoren hatten damals berechtigte Zweifel an diesem Verfahrensweg. Solange dieses Papier im Einzelfall keine einklagbare Rechtssicherheit bietet, sich Organisationen und Verbände mit irgendwelchen Projekten, Studien oder sonstigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zum Selbsterhalt beschäftigen, wird dieses Papier nicht den Wert erhalten, welchen man uns der Basis, immer wieder vermitteln will.

Von gerhard

Mit der einstimmigen vorbehaltslosen Zustimmung des Bundesrates haben die Länder ebenfalls unterschrieben.

Von Behindert_im_System

Kommentar von Gerhard Bartz!

Zitat:

"Obwohl Deutschland vorbehaltslos die BRK unterschrieb, selbst alle Bundesländer setzten ihre Unterschriften darunter, tut sich Deutschland sehr schwer damit, diese auch um- und durchzusetzen."

Sehr geehrter Herr Bartz,

die von Ihnen aufgestellte Behauptung ist falsch, unterschrieben haben, Angela Merkel, Olaf Scholz und Horst Köhler. Die Länder und deren Parlamente waren an der Erstunterzeichnung nicht beteiligt, da es sich um eine Bundesangelegenheit handelte. Ob hier vor der Unterzeichnung noch das Recht der Länder zur Stellungnahme hätte eingeholt werden müssen, ist nach wie vor strittig, aber zwischenzeitlich anscheinend auch von untergeordneter Bedeutung, denn fast jede Gemeinde hat einen eigenen Aktionsplan erstellt, nur zu welchem Zweck?

Von kirsti

Fortsetzung der Menschenrechte?- Ist es im Sinn der „Erklärung der Menschenrechte“, wenn Menschen mit Behinderungen wie oben beschrieben, z.B. Markus Igel aus dem Saarland vom normalen Leben ausgeschlossen werden? Oder will man mit dem Prinzip des Ausschlusses von Teilhabe am normalen Leben einfach nur zeigen, wer immer noch an der Macht ist? Menschen mit Behinderungen müssen um jeden kleinen Zipfel Teilhabe feilschen und zahlen mit Lebensjahr um Lebensjahr; ein Armutszeugnis 70 Jahre nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen!

Von kirsti


Danke an Herrn Bartz ForseA, dass er an dieser Stelle an die "Erklärung der Menschenrechte" am 10. Dezember 1948 erinnert. Ohne diese Erklärung wäre weder unsere Verfassung noch die UN- BRK nicht denkbar. Das ist einer Erwähnung durchaus wert!