Schulinklusion am Scheideweg

Veröffentlicht am von Harald Reutershahn

Harald Reutershahn
Harald Reutershahn
Bild: Bettina Wöllner-Reutershahn

"Schluss mit den sozialistischen Experimenten mit unseren Kindern", war die Klassenkampfparole der Ewiggestrigen in den 80er Jahren gegen das Konzept der Integrierten Gesamtschulen. Für die Geldeliten in der BRD, die sich überheblich selbst für die Bildungselite halten, war es eine Horrorvorstellung, dass ihre Kinder in den gleichen Schulen unterrichtet werden sollten wie die Arbeiterkinder. Die Reichen sahen mit Grauen ihren Nachwuchs verlottern durch eine "Gleichmacherei" in einem Bildungssystem, das für alle Kinder gleiche Bildungschancen öffnen wollte. Zumindest für die nichtbehinderten Kinder, denn die behinderten Kinder mussten seinerzeit schon in die Sonderschulen gehen. Für die gab es gut 30 Jahre lang experimentelle sogenannte "Integrationsklassen" in einigen wenigen Integrierten Gesamtschulen, während die Sonderschule (heute auch schönfärberisch "Förderschule" genannt) die Regelschule für Behinderte war.

Ein Elitegedanke, in einer zutiefst rassistischen Tradition verwurzelt, beherrschte seit eh und je den Klassenkampf von oben seitens der sozial schwachen Geldeliten, übertragen in das Schulklassensystem der BRD. Die Reichen seien ja schließlich die Leistungsträger der Gesellschaft, die die Leistungsschwachen in der Gesellschaft tragen müssten, und deshalb müsse man sie auch in einem gegliederten Schulsystem besonders fördern. So lautete das Credo von finanziell bessergestellten und wohlhabenden selbstverliebten Eliteeltern.

Vier meiner fünf Stiefkinder gingen als Nichtbehinderte jeweils in eine dieser sogenannten "Integrationsklassen" in Integrierte Gesamtschulen. Als ich den Jüngsten vor dem ersten Elternabend fragte, wer denn die drei behinderten Kinder in seiner Klasse seien, antwortete er, es gäbe gar keine. Beim Elternabend erfuhr ich dann, dass einer der drei behinderten Kinder in seiner Klasse neben ihm saß. Er hatte es nicht gemerkt, dass der Mitschüler neben ihm behindert war. Und warum nicht? Hat man seinem Nachbarn eine Behinderung vielleicht nicht ansehen können? Doch, denn der hatte eine sogenannte sichtbare Behinderung. Eine Behinderung, mit der dieser kleine Junge normalerweise in einer Sonderschule gelandet wäre. Aber unser Knirps hatte eine Anomalität nicht bemerkt, weil es für ihn normal war.

Was ist normal? Eine Frage, die man eigentlich nur nicht-kaputt-zerbildeten Kindern stellen kann. Denn der Normalfall ist hierzulande noch immer die Aussonderung.

"Leeres Wort: Der Armen Rechte,
Leeres Wort: Der Reichen Pflicht."

In Zukunft war alles schlechter. Soll das die Zukunft sein?

Was ist denn inzwischen aus der Schulinklusion geworden? Die ist doch jetzt ein Menschenrecht, vorgeschrieben durch die UN-Behindertenrechtskonvention und unterschrieben von der Bundesregierung. Ist die Inklusion nur eine Illusion?

Glaubt man den Kultusministern und ihrem Arbeitsnachweis, schreitet die Inklusion in Deutschlands Schulen gut voran. Doch die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Dieser Tage wurden die Ergebnisse einer Umfrage des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) veröffentlicht. Der VBE ist eine der beiden großen Lehrerorganisationen in Deutschland und vertritt ca. 140 000 Pädagoginnen und Pädagogen in allen Bundesländern. Die Ergebnisse sind erschreckend: Die Lehrerinnen und Lehrer benoten die Inklusion in Deutschland mit "mangelhaft". VBE-Vorsitzender Udo Beckmann: "Die Politik sollte vor Scham im Boden versinken!"

Die Bedingungen für den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern seien bundesweit noch immer völlig unzureichend, so das Ergebnis der forsa-Umfrage. Verbessert habe sich gegenüber 2015 praktisch nichts. "Inklusion wird nicht gelingen, wenn die Lehrkraft alleine, ohne Unterstützung durch weitere Professionen und nicht ausreichend fortgebildet, in zu großen Klassen und zu kleinen Räumen unterrichten muss. Die repräsentativen Ergebnisse belegen aber erneut, dass genau das nach wie vor die Realität an deutschen Schulen ist", so der Bundesvorsitzende des Lehrerverbands.

Mittlerweile gebe es zwar an über der Hälfte der Schulen inklusive Lerngruppen, doch nur 16 Prozent der Schulen sind vollständig barrierefrei aus- und umgebaut worden. "Hier zeigt sich deutlich: die Politik verweigert die Gelingensbedingungen für Inklusion", kommentiert Beckmann. Erschwerend kommt hinzu, dass nur einem Drittel der befragten Lehrkräfte eine Absenkung der Klassengröße bei Hinzukommen eines Kindes mit sonderpädagogischem Förderbedarf zugestanden wird. 65 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer müssen die Inklusion in ihren Schulklassen alleine stemmen. Dabei war und ist völlig klar, dass für die inklusive Schule die Doppelbesetzung aus Regelschullehrkräften und Sonderpädagogen benötigt wird. Das wird von 98 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer gefordert.

"Wer Inklusion will, muss die Schulgebäude entsprechend gestalten. Dazu gehören auch Räume für Kleingruppen und Differenzierungsräume, von denen nur knapp über die Hälfte der Befragten berichten", so Beckmann. Das ist mit der UN-Behindertenrechtskonvention nicht vereinbar. So wird die Schulinklusion vor die Wand gefahren. Den Rechtsanspruch aller Kinder auf individuelle Förderung gibt es nicht zum Nulltarif. Die Schulen müssen einerseits zusätzliche Lehrerstunden von Regel- und Sonderpädagogen erhalten, und Sozialpädagogen, Erzieher, therapeutische und medizinische Kräfte müssen in den Schulbetrieb eingebunden werden. Eltern und Lehrkräfte beklagen, eine breite Debatte über die Inklusion in der Schule habe es nie gegeben. CDU/CSU, SPD und Grüne gingen und gehen allen Ernstes davon aus, dass die Schulinklusion nicht nur gratis zu haben sei, sondern sogar Geld spare.

"Absurd?" fragt "News4teachers" und schreibt weiter: "Offenbar nicht so sehr, wie es auf den ersten Blick erscheint. Das Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen', mit dem im Dezember 2008 der – für die deutschen Schulen umwälzende – Ausstieg aus dem Förderschulsystem beschlossen werden sollte, war den Abgeordneten des Deutschen Bundestages tatsächlich nur eine Aussprache von 30 Minuten wert. Und zwar deshalb, weil (wie der damalige Parlamentarische Staatssekretär Klaus Brandner verriet) man einen Debattentag gestrichen hatte, um auf einen am nächsten Tag stattfindenden Parteitag der Grünen Rücksicht zu nehmen."

Frankfurts Grundschulleitungen schrieben Anfang des Jahres in einem Brandbrief: "Flüchtlingskinder, Inklusion, Erziehungsprobleme – aber kein Personal. Es geht nicht!" Ohne Geld für Personal und Barrierefreiheit geht die Schulinklusion nicht. Wenn das zu beweisen war, dann ist das bewiesen. Für die Politik von CDU/CSU, SPD und Grünen heißt das: Experiment gescheitert. Behinderte Kinder zurück in die Sonderschulen.

Die Schulinklusion wird systematisch kaputtgespart. (Nur mal nebenbei: Schäubles Staatskasse weist bis 2021 einen Überschuss von 54,1 Milliarden Euro aus - der Investitionsstau wächst und wächst.) Und als habe man nur darauf gewartet, haben die CDU und die FDP in ihrem Koalitionsvertrag für Nordrhein-Westfalen beschlossen, die Inklusion in der Schule auf Eis zu legen und die Auflösung der Sonderschulen zu stoppen. Den Herrschaften schwebt ja ohnehin bereits die Privatisierung der Schulen vor. Die SPD-Genossen Gabriel, Oppermann und Schulz wollen dafür die Zweidrittel-Bundestags- und Bundesratsmehrheit zusammen mit der CDU/CSU in der Großen Koalition noch rasch nutzen, bevor die Übermacht nach dem Wahltag am 24. September hops gehen kann. Am 1. Juni 2017 im Bundestag und kaum 24 Stunden später im Bundesrat will die GroKo in Höchstgeschwindigkeit eine Verfassungsänderung durchpeitschen, wodurch künftig der Bau und die Sanierung von Schulgebäuden für private Investoren in Form von sogenannten "Öffentlich-Privaten Partnerschaften" (ÖPP) geöffnet werden sollen. Die Schulen in Deutschland werden damit zu Anlageobjekten gemacht, die auf den Finanzmärkten gehandelt werden.

Italien hat mehr als 40 Jahre gebraucht, um fast 99 Prozent der Kinder mit Behinderung an einer Regelschule zu unterrichten. In Deutschland dagegen sagen die ewiggestrigen Selektionspolitiker schon jeden ernst zu nehmenden Anstrengungen: Wir haben es immer gesagt, Inklusion funktioniert nicht. Deshalb Einstieg in den Ausstieg jetzt. Schlecht gemachte Inklusion ist schädlicher als keine, also Schluss damit.

Der Wert des Menschen war in Deutschland noch nie ein Tabu. Also, liebe Nachtwächter: Volle Kraft rückwärts, und die BRD kündigt die UN-Behindertenrechtskonvention? Die ist doch bloß ein sperriges Investitionshindernis. (Das Kapital ist wirklich eine einsame Klasse.)

Übrigens: Weil jedes Kind etwas Besonderes ist, bin ich für Sonderschulen für Alle.

 

Lesermeinungen zu “Schulinklusion am Scheideweg” (14)

Von rgr

Die Apokalypse
- Ein letzter Versuch -

Eine Figur, der ehrliche Sozialmakler, betritt die Bühne und weiß wie immer ausschlaggebenden Rat bei schweren Lebensentscheidungen. Seine Bilanz weißt Hilfsmittel und Dienstleistungen als inkludierte Kostenbestanteile aus.

Förderschulen sollen aufgelöst werden? Kein Problem für den Ökonomen! Die Förderpädagogen räumen ihr Fach und ziehen in Schulen um. Eine Umzugsfirma machte mit ihrem schicken Auftreten (die Uniformen haben keine Taschen!) auf sich Aufmerksam und gewann die Ausschreibung und garantiert den vollen Erfolg des Planes.

Beschwerden? Wer wagt es?! Viele Querelen erwiesen sich dem versierten Fuchs bei näherer Prüfung doch als ein bekanntes Problem. Das Problem der richtigen Einpreisung.

Ja wenn schon Verfahrensmängel bei der Einpreisung dazu führen, das die Kartons beim Kämmerer landen, statt im Schulzentrum. Und sie noch dazu leer sind?! Ja, da kann der ehrliche Sozialmakler nur immer wieder zur allseitiger Vorsicht und Achtsamkeit mahnen.

Ja wo wären wir denn, wenn die Sozialkassen nicht schon immer die Ausgaben richtig inkludiert hätten?

Letzlich haben sie alle der schwäbischen Hausfrau die Treue geschworen.

Von rgr

Wer weiß? Wer weiß? Wir sollten besser vorher noch die Eingangs erwähnten Sprachforscher bitten, uns zu erklären, was uns die Sprachwissenschaft über Herrschaft, Ausgrenzung und blinde Flecken sagen kann. Wo könnten Gefahren lauern? Und das bitteschön in einfacher Sprache!

Von kirsti

Es stimmt: Wenn etwas theoretisch möglich ist, so ist die Theorie auch ein „praktisches Ding“. Die beliebte Ausrede der theoretischen Möglichkeit, aber Unmöglichkeit in der Praxis, hat seit der Entdeckung der Gravitationswellen keinen Bestand mehr. Denn mit ihnen wurde Einsteins Relativitätstheorie in der Praxis bewiesen. – Man sollte den Theoretikern auch mal Goethe vorhalten, denn „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie/ Und grün des Lebens goldner Baum.“

Von rgr

It's a tool!

Ich denke, das sich Theorie nicht aus der Praxis bestimmen läßt. Theorie und Praxis sind auch keine Gegensätze. Es sei denn die Theorie verkommt zu einem Ideal. Theorie ist auch mehr als ein Abbild der Realität. Theorie hilft beim Strukturieren von Denken. Sprechen und Handeln. Kurz gesagt: Theorie ist ein praktisches Ding.

Von kirsti

Das ist erst Mal reine inklusive Theorie. Wie steht’s mit praktischer Inklusion in Kindergarten, Schule, Arbeitsleben, Gesellschaft? – Kein Ausschluss mehr von nirgends? Auch nicht mehr Ausschluss von Ausschluss, das gibt’s nämlich auch, z.B. in Werkstätten oder in Schulen, schulgesetzlich geregelt.

Von rgr

Erweiterung der Inklusion durch Kampf gegen alles Exklusive

Andrea Nahles wird Geschichte. Niemand rechnet mit einer Fortsetzung ihrer Ministeriumsverantwortung in einer fortgesetzten großen Koalition nach den Wahlen im Herbst. Da müssen neue Gesichter her.

Die Linke wird ein Wörtchen mitreden, da ihre Strategie verspricht, das Arbeiter, Angestellte, Beamte und Selbständige in eine Sozial-, Kranken und Rentenversicherung einzahlen sollen. Das ist eine inklusive sozialpolitische Strategie, die als logische Mengenlehre beantwortet, wie der Anteil und Zuwachs am geschaffenen Reichtum gerecht verteilt werden wird, um Armut- und Elendslagen hier wie dort aufzuheben zu können.

Also Flucht aus dieser sozialen Verantwortung bekämpfen.

Von kirsti

Widerspruch @rgr
Andrea Nahles hat uns bereits mit ihrem „all inclusive Sorglos- BTHG- Reisepaket“ fürs Erste gut versorgt. Um weitere ernsthafte inklusive Bemühungen sind wir somit für die nächsten Jahrzehnte verschont.

Von rgr

Danke Sven.
Wir können uns noch auf wirklich große, weil grundlegende Transformationen gesellschaftlicher Verhältnisse freuen, die dereinst mit dem Attribut inklusiv verbunden sein werden.

Von Sven Drebes

Ich bin froh, dass das Verb "inkludieren" kaum benutzt wird. Meiner Meinung nach führt es vom Sinn des Worts "Inklusion" weg,
Wenn jemand inkludiert werden muss, heißt das, es gibt ein Innen und ein Außen, und irgendwer muss nach innen geholt werden. Mein Verständnis von Inklusion ist aber, dass die Gesellschaft so gestaltet ist, dass es kein Innen und Außen mehr gibt.

Von rgr

Nachtrag

Ich muss mich korrigieren. Das Wort Inklusion steht in der deutschen Sprache für eine soziale Struktur die Behinderten Rechte nach der UN BRK garantiert. Der Begriff ist gefüllt, zeitlich eingeordnet und gehört uns.

Bei anderen sozialen Fragen ist das Wort Inklusion aber bisher kaum im Gebrauch. Sein abgeleitetes Verb 'inkludieren', das beschreiben könnte was zu tun ist, ist nahezu ein Exot.

ich inkludiere
du inkludierst
er, sie, es inkludiert
wir inkludieren
ihr inkludiert
sie inkludieren

Ihr fragt wer sowas untersucht und wo deren Ergebnisse publiziert werden? Hier die Quellen:
https://www.dwds.de/wb/Inklusion
https://www.dwds.de/wb/inkludieren

Viel Spaß mit dem Tool wünscht,
der Götz

Von rgr

Harald Reutershahn bringt unsere Sache mal wieder auf den Punkt. Seine Analyse fußt auf Erfahrungen der Bildungspolitik, welche in den 80ern eine emanzipative Phase erlebte - und von der ich als behinderter IGS Schüler Vorteile habe ziehen können. Unser Kampf für mehr Bildungsgerechtigkeit ging aber schon in den 80ern verloren, so daß allein die Erfahrung von Niederlagen blieb. Mit einer klassenkämpferischen Perspektive hätte es gelingen können. Die Zeit war noch nicht reif. Und noch immer gilt: 'Das herrschende Bewusstsein ist immer das Bewusstsein der Herrschenden'.

Die Kategorien Inklusion/Integration und auch die Kategorie der Gerechtigkeit müssen von uns neu angeeignet werden. Integration muss beantworten, wo hinein integriert werden soll. Vor der Inklusion, also dem Einschluss, muss bitte auch gefragt werden ob eine Befreiung aus Einschlüssen auch noch mitgedacht werden kann. Chancengerechtigkeit muss beantworten, wer Chancen gewährt und was wir von Gerechtigkeit unterm Kapital erwarten dürfen.

In diesem Sinn bin ich Harald Reutershahn für seine klaren Worte dankbar.
der Götz

Von Annika

Am Montag war ich mit meiner Tochter zur Schuleingangsuntersuchung durch das Gesundheitsamt. Ich wollte sie noch ein Jahr zurückstellen und in ihrem "normalen" Kindergarten belassen. Die Ärztin des Gesundheitsamtes war überhaupt nicht begeistert und wollte sie dringend direkt in eine "Förderschule" einschulen, damit sie endlich gefördert und nicht noch ein Jahr "gebobbelt" wird. Die sogennannten Staatsdiener haben keine Ahnung von Inklusion und wissen auch nicht, dass das politisch gewollt ist(oder sein soll). Wir Eltern sind vollkommen allein, kümmern und um das Ganze drumherum und bekommen es immer schwerer gemacht. Wir sind, nachdem wir mit unserem Sohn schon 8 Jahre am kämpfen sind (er wird inklusiv beschult), auch kurz vor der Kapitulation und überlegen, ob wir uns das nochmal antun- "Ungleichheit und Spaltung"wird natürlich immer mehr gefördert und immer mehr Menschen fallen durch das Raster...Ärzte und Lehrer sind keine Vetrauenspersonen mehr...man hat wieder Angst, offen zu sein, fühlt sich abhängig...Es steht bei mir gefühlt jedenfalls schlechter als vor 10 Jahren um das Thema Inklusion!

Von Angehöriger

Danke!

Schade finde ich nur, dass hier schulische Inklusion in einen Topf geworfen wird mit den Maximalforderungen und Besitzstandswünschen mancher Berufsgruppen. Therapeutische Behandlung im Rahmen der Schulpflicht (was einer Zwangsbehandlung gleichkommt und ohnehin nicht sein sollte), flächendeckende Rollstuhlgerechtigkeit etc. – am Ende des Weges kann das sinnvoll sein. Im Augenblick ist es eine Ausrede, Kindern mit Behinderungen immernoch den Zugang zu Schulen zu verwehren und ihnen kurze Wege, soziale Teilhabe und die bestmögliche Allgemeinbildung und damit Schulabschlüsse vorzuenthalten. Und da, wo es Sonderpädagogen, Therapeuten und Teilungsräume gibt, werden sie allzu oft missbraucht, um die Kinder mit Behinderungen vor die Tür zu setzen und vom Unterricht auszuschließen ohne Rücksicht auf verpasste Inhalte.

Gesamtschulische, einrichtungsbezogene Barrierefreiheit muss kontinuierlich ausgebaut werden und bestmögliche Bedingungen für alle (nicht aus den Geldern des SGB XII und der Ausgleichsabgabe etc.) geschaffen werden. Aber da, wo jetzt ein konkretes Kind vor verschlossenen Türen steht oder vom allgemeinen Unterricht ausgeschlossen wird, muss vorrangig, personenbezogen und sofort gehandelt werden (meinetwegen mit den Geldern des SGB XII etc.).

Und das heißt, eine Versorgung mit Sonderpädagogen als Dolmetscher für die Fachlehrer nach Bedarf und vor allem eine individuell passgenaue Fortbildung und genug Zeit/Klassengrößen für die allgemeinbildenden Lehrer.

In der Praxis ist das nämlich mein Problem: Exklusion in der Inklusion: Die allgemeinbildenden Lehrer verweigern mit Steigbügelhilfe von Sonderpädagogen u.ä. den Kindern mit Behinderungen die Teilhabe am Unterricht.

Von Uwe Heineker

Sehr gute Situationsanalyse!

Hierzu passend ergänzt:

"[...] muss beunruhigen, dass die Politik im Zeichen der Menschenrechtskonvention Inklusion als gesellschaftliches Ziel zwar verbal willkommen heißt, aber vor inklusionsfeindlichen gesellschaftlichen Strukturen, Praktiken und Gruppeninteressen kapituliert, die Ungleichheit und Spaltung fördern."

(Zitat von Dr. Brigitte Schumann; war 16 Jahre Lehrerin an einem Gymnasium, zehn Jahre Bildungspolitikerin und Mitglied des Landtags von NRW.)