Überall dabei? Überall vorgeführt
Veröffentlicht am von Franz Schmahl
München (kobinet) Aus München erhielt kobinet heute einen Erlebnisbericht von einer Veranstaltung des jetzt zu Ende gehenden Filmfestivals der Aktion Mensch. Ein Filmfestival der Aktion Mensch – die Filme allesamt spannend mit anschließender Podiumsdiskussion über das Gesehene - so begann die der Redaktion bekannte Autorin Inka Schoko Plan ihren Bericht:
Ich habe mich für den Film „Rachels Welt – aus dem Leben einer Sexarbeiterin“ entschieden, bin gespannt, wie filmisch und später in der Diskussion mit dem Thema umgegangen wird. Ich freue mich auf einen interessanten Abend in einem barrierefreien Kino.
Barrierefrei, na ja. Wenn man darunter versteht, dass man den Kinoraum zwar waghalsig erreichen kann (separater Eingang - steile Rampe, min. 10%) ok, dann war es das wohl. Es gibt eine Aussparung in den Sitzreihen für 1 Rolli (möglichst ohne Fußstützen), ansonsten die Seitenstreifen. Garantie zur Nackenstarre, wenn man versucht, den Film auch zu sehen. Abenteuer Absturz inbegriffen, denn der Sitzgraben für die Fußgänger ist ca. einen halben Meter tiefer gelegt – eine falsche Rollbewegung zur Mitte hin, hätte dumme Folgen. So sitze ich also an die Wand rechts geschmiegt, links von mir der Graben, mit meiner Assistentin und meinen Freunden darin.
Dann der Film: im Großen und Ganzen ganz gut. Unverkrampft, eingestreute Episoden, die Lacher hervorriefen, dennoch sensibel im Umgang mit der Thematik des häufig vorkommenden sexuellen Notstands bei behinderten Menschen und der Möglichkeit gelegentlicher Besuche durch Sexworker. Die manchmal auch mit der Funktion betraut sind, nicht bestehende Beziehungselemente auszugleichen - Händchen haltend durch Straßen schlendern, zusammen aufwachen, einfach umarmt werden ...
Die anschließende Podiumsdiskussion bleibt jedoch nicht bei der Thematik, sondern verlässt die Ebene sehr schnell. Die Gäste: eine Sexworkerin, ein Sexualtherapeut von Pro Familia und ein Sozialarbeiter der Münchner AIDS-Hilfe. Dazu geladen im Publikum mitzudiskutieren, jedoch aus Krankheitsgründen nicht anwesend, der Behindertenbeauftragte der Stadt München.
Was folgt ist eine Aneinanderreihung diverser soziologischer Gegebenheiten und viel Selbstdarstellung. Mit dem Thema des Films nur noch durch wenige Schnittstellen verbunden, mit dem Thema Behinderung und Sex so gut wie gar nicht mehr. Jeder bricht das Thema letztlich nur auf seinen Bereich herunter, über den er dann schwadroniert. Nur die anwesende Sexworkerin versucht zwischen den beiden Akteuren das eigentliche Sensible dieser Veranstaltung wieder anklingen zu lassen. Es wird kaum gehört.
Ich merke, wie mich Ärger zunehmend beschleicht. Der Vertreter der AIDS-Hilfe macht sich wichtig, prahlt, wie sie sich als Comunity für ihre Rechte eingesetzt und gekämpft hätten und warum wir das nicht genauso täten. Er spricht von Allianzen, die entstehen zwischen der AIDS-Hilfe und Behinderten. “Na, denke ich, schön wäre es.“ Bislang wurde von dieser Seite eher Distanz signalisiert und Abgrenzung zum Ausdruck gebracht. Mit Behinderten war Kooperation bei gemeinsamen Events bisher nicht gewünscht, wurde sogar abgewiesen.
Ich bin genervt, denn es ist niemand auf dem Podium zu Gast, den das Thema betrifft oder der es wirklich vertreten könnte. So war es kurzgefasst wieder einmal mehr ein Sprechen über Behinderte, ohne irgendwelche dazu gehörigen Dimensionen auszuloten. So wie sich die Situation „einen Platz bekommen“ an diesem Abend auf mehreren Ebenen zeigte, wurde deutlich widergespiegelt, an welchem Punkt wir uns gesellschaftlich immer noch befinden.
Von Berthold Gottschalk
Häusliche Gewalt – Opferschutz
Häusliche Gewalt ist ein größeres Problem als bisher angenommen.
Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge, hat jede dritte Frau weltweit Prügel oder sexuelle Misshandlungen erleben müssen.
Der innerfamiliäre Nahraum wurde durch Rechtsprechung Mitte der 1990er Jahre ausdrücklich in den Anwendungsbereich des Opferentschädigungsge-setzes einbezogen. Häusliche Gewalt ist jede Art physischer, psychischer, ökonomischer und/oder sexualisierter Misshandlung innerhalb bestehender oder ehemaliger enger Beziehungen. Viele Gewalttaten finden zwischen Menschen statt, die in einem Haushalt zusammen leben. Hierbei geht es nicht nur um Paarbeziehungen, sondern auch um Gewalt gegen Kinder, Gewalt von Kindern gegenüber ihren Eltern, Gewalt zwischen Geschwistern,
Gewalt gegenüber der Menschen mit Behinderung und Gewalt gegen im Haushalt lebende ältere Menschen.
Wer Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs wird oder durch dessen rechtmäßige Abwehr verletzt wird und dadurch eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält unter bestimmten Voraussetzungen Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz.
Hierauf werden Experten in einer Podiumsdiskussion antworten.
Der Sozialverband VdK Kreisverband Bergisch Land lädt hierzu alle Interessierten zu dieser hochkarätigen Podiumsdiskussion ein. Der Eintritt ist frei.
Veranstaltungstag ist
Dienstag der 09. Juni 2015 um 17.00 Uhr
Veranstaltungsort ist das Verwaltungshaus (Altes Rathaus Elberfeld)
Neumarkt 10 in 42103 Wuppertal, Saal 202
Moderation:
Stefan Seitz, Journalist Wuppertaler Rundschau
Podiumsgäste:
Detlef Kerber, Vizepräsident des Sozialgerichts Düsseldorf
Martin Kölling, Leiter Fachbereich Soziales Entschädigungsrecht des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) Köln
Thomas Kolodziej, Kriminalhauptkommissar Polizeipräsidium Wuppertal, Kommissariat Opferschutz
Haldis Hürting-Kiefer, Leiterin des Weissen Ring Wuppertal
Nina Kanka, Staatsanwaltschaft Wuppertal
Manuela Anacker, Diplom Soziologin des VdK Landesverbandes
Georgina Manfredi, Migrationsberaterin Wuppertal
Initiatoren: Heike Herrig und Berthold Gottschalk
Von behindertenrecht
"Überall dabei? Überall vorgeführt "
Wenn behinderte Menschen inklusive Bildung geniesen könnten, wären derartige Diskussionen überflüssig .
Natürlich gehört Aufklärung über Sexualität und Verhütung, im Jugendalter in den Biologieunterricht . Ansonsten ist das Thema eine höchstpersönliche Angelegenheit, in die auch kein Betreuer "eingreifen" darf UND das ist auch gut so .
Niemand spricht gern über höchstpersönliche Angelegenheiten, oder läßt sich dabei reinreden .
Von Uwe Heineker
Das Motto "überall dabei" wird hier in das Absurde geführt, wenn - wieder einmal (wie oft denn noch?!) - nur über Menschen mit Behinderung geredet wird, anstatt mit ihnen. Hier wird erneut deutlich, dass wir vom Ziel gesellschaftlicher Inklusion - und entsprechender Bewusstseinsbildung -noch sehr weit entfernt sind!