In den eigenen vier Wänden leben

Veröffentlicht am von Ottmar Miles-Paul

Verbandslogo
Verbandslogo
Bild: BeB

Berlin (kobinet) Da auch Menschen mit Behinderung in den eigenen vier Wänden wohnen wollen, fordern die Diakonie Deutschland und der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB) eine freie Wahl der Wohnform für Menschen mit Behinderung.

Die Verbände fordern, dass das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderung im Wohnbereich gestärkt werden muss. "Auch Menschen mit Behinderung wollen in den eigenen vier Wänden wohnen. In Deutschland müssen aber viele gegen ihren Willen in Heimen leben, weil dort die notwendigen Unterstützungsleistungen in der Regel kostengünstiger erbracht werden als in der eigenen Wohnung", erklärte Maria Loheide, sozialpolitischer Vorstand der Diakonie Deutschland in Berlin. "Insbesondere Menschen mit hohem Hilfebedarf werden regelmäßig auf eine Unterbringung in einer Einrichtung verwiesen. Nach der UN-Behindertenrechtskonvention soll jeder Mensch mit Behinderung dort leben können, wo er will. Das kann eine Wohnheimgruppe sein – das kann die eigene Wohnung sein. Wir müssen den Willen der Betroffenen ernst nehmen und passgenaue, bedarfsgerechte Unterstützung im Wohnbereich ermöglichen", erklärte Michael Conty, Vorsitzender des Bundesverbandes evangelische Behindertenhilfe. Die Bundesregierung müsse daher sicherstellen, dass Menschen mit Behinderung ihren Aufenthaltsort und ihre Wohnform unabhängig von den Kosten für ihre Unterstützung frei wählen können. Außerdem sollten Behörden einen Antrag auf Wohnen mit ambulanter Unterstützung nicht mehr nur nach eigenem Ermessen ablehnen dürfen.

Zurzeit werde ambulante Sozialhilfeleistung nur gewährt, wenn sie nicht mit "unverhältnismäßigen Mehrkosten" gegenüber einer "zumutbaren" stationären Leistung verbunden ist. Was "unverhältnismäßig" und "zumutbar" ist, dürften die Kostenträger bestimmen, wie es im so genannten Mehrkostenvorbehalt im Sozialgesetzbuch (SGB XII) festgehalten ist. Diese Bestimmung verletzt nach Ansicht der Verbände jedoch das Recht auf eine frei wählbare Wohnform und sei mit der UN-Behindertenrechtskonvention nicht vereinbar.

Soziale Teilhabe von Menschen mit Behinderung umfasst nach Ansicht der Verbände den Zugang zu allen gesellschaftlichen Bereichen. Dafür müssten Anbieter und Behörden gemeinsam die notwendige Infrastruktur schaffen sowie bedarfsgerechte Angebote planen und ausgestalten. Auch barrierefreier Wohnraum mit erschwinglichen Mieten gehöre dazu.

Lesermeinungen zu “In den eigenen vier Wänden leben” (3)

Von behindertenrecht

"Einsparung" bzw. "Aussparung" von Betreuten .

Wenn Betreute nicht zu Hause leben, bei denjenigen der als Betreuer bestellt ist , dann tun Betreuer weder pflegen, noch begleiten oder anleiten etc., sondern lediglich die Formularitäten .

Der indivduelle Bedarf , für pflegen, begleiten und anleiten etc. und für die Formularitäten , kann daher am ehensten durch persönliche Assistenz gedeckt werden . Das kann ein Betreuer nicht leisten und auch keine Einrichtung .

Von behindertenrecht

Wie in vielen Berichten zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention , werden auch hier wieder die behinderten Menschen vergessen, für die ein Betreuer bestellt wurde . Diese Menschen werden praktisch nie beachtet .
D.h. Nicht nur der Mehrkostenvorbehalt nach SGB XII , ist mit der UN-Behindertenkonvention unvereinbar, sondern auch das Betreuungsgesetz .
Besonders nachteilig ist , wenn schon ein Betreuer für einen Menschen entscheidet und dabei das Inklusionsrecht nicht beachtet .
Wenn schon Wohnung , oder Wohngruppe selbst gewählt werden soll ( bzw. darf) , dann bitte auch inklusiv .
Inklusion ist Menschenrecht und Ausgrenzung daher auch nicht zum Wohle , oder wie so oft im Betreuungsrecht formuliert " im wohlverstandenen Interesse" .
Gerade Menschen mit hohen Unterstützungsbedarf, sind in stationärer Versorgung benachteiligt, weil es dann gar keine persönliche Assistenz gibt - ebenso wie bei Krankenhausaufenthalt etc.. Das ist Unfair und bei 1:1 Bedarf auch nicht zumutbar, sondern Benachteiligung und "Einsparung" ...

Von Inge Rosenberger

Eine gute Zusammenfassung eines weiteren Problemes findet man hier: "Finanziert werden bisher in der Regel nur Wohnformen, bei denen Menschen mit ähnlichem Unterstützungsbedarf zusammen leben. Die zuständigen Bezirksämter können das Projekt nirgendwo einordnen und finanzieren es deswegen bisher nicht. "
Quelle und kompletter Text: http://www.diakonie.de/wohnprojekt-abenteuer-inklusives-wohnen-11765.html

Genau so sieht es aus, denn da gibt es
a) Heime für die „Werkstattgänger“ und – räumlich und personell getrennt davon
b) Heime für Menschen, die nicht „werkstattfähig“ sind. Für diese Menschen ist ein zweiter Lebensbereich (also eine Tagesförderstätte) oft nicht vorhanden; und für viele Heimbewohner besteht ständig die Gefahr, dass die Beschäftigungszeiten in der Förderstätte auf weniger als vier Stunden gekürzt werden.
c) Und dann gibt es inzwischen auch noch spezielle Einrichtungen für behinderte Rentner – eine Art Altersheim, in das die Menschen umziehen müssen, sobald sie nicht mehr in die Werkstatt gehen.

Um es kurz und verständlich auszudrücken: behinderte Menschen werden ausschließlich nach ihrer Arbeitsfähigkeit (in der Werkstatt) beurteilt und den verschiedenen Schubladen mit den entsprechenden Hausmodellen zugewiesen.

Eine Änderung und Wohnvielfalt scheint aber auch gar nicht gewünscht zu sein. Ich glaube, man will einfach in die Schubladen greifen, damit man vergleichen und zuordnen kann. Deshalb haben die Kostenträger und die Organisationen diese Wohnformen für Menschen, deren Fähigkeiten nicht wirtschaftlich verwertet werden können, erst gar nicht ins Blick- und Planungsfeld genommen und einfach aussortiert.
Und leider will niemand von seinem Konzept und seinem eingefahrenen Weg abgehen. Die Hindernisse werden als sehr groß und manchmal auch als zu groß angesehen.