Schuldenbremse darf nicht zur Inklusionsbremse werden
Veröffentlicht am von Ottmar Miles-Paul
Stuttgart (kobinet) Der Landes-Behindertenbeauftragter von Baden-Württemberg Gerd Weimer kritisiert, dass die aktuelle Diskussion um die Einsparung von Lehrerstellen in Baden-Württemberg einseitig geführt werde und verkenne, dass inklusive Schulen nicht zum Nulltarif zu haben sind.
"Vor dem Hintergrund, dass sich die Landesregierung beim Start klar zur Entwicklung inklusiver Schulen bekannt hat, erscheint mir die aktuelle Diskussion um die Einsparung von 11.600 Lehrerstellen bis 2020 sehr einseitig und verkennt, dass inklusive Schulen nicht zum Nulltarif zu haben sind. Im Zeitalter der UN-Behindertenrechtskonvention sollte das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung in allen gesellschaftlichen Bereichen eigentlich selbstverständlich sein. Warum diese Selbstverständlichkeit gerade beim gleichberechtigten Bildungsanspruch für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen auf dem Altar der Schuldenbremse einseitig geopfert werden soll, ist für mich unverständlich", betonte Gerd Weimer.
Gerd Weimer hat sich in die aktuelle Lehrerdebatte eingemischt und Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Finanzminister Dr. Nils Schmid sowie die Vorsitzenden der Regierungsfraktionen, Edith Sitzmann und Claus Schmiedel schriftlich daran erinnert, dass im Koalitionsvertrag unter der Überschrift "Gleichberechtigte Teilhabe aller: Inklusion umsetzen" bekräftigt wurde, der leidigen Selektion im Bildungsbereich eine klare Absage zu erteilen. "Es wurde der politische Wille für einen überfälligen Paradigmenwechsel in unserem Land zum Ausdruck gebracht. Wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einem inklusiven Bildungssystem sind dabei, dass ein gesetzlicher Anspruch von Kindern mit Behinderung auf sonderpädagogische Förderung in der Regelschule verankert wird und ein Wahlrecht für die Eltern zur Bestimmung des Lernortes für ihre Kinder besteht", so Gerd Weimer.
Vor diesem Hintergrund hat sich der Landes-Behindertenbeauftragte den Forderungen von Kultusminister Andreas Stoch, die demografische Rendite von 11.600 Lehrerstellen nicht einseitig zu realisieren, in seinem Brief an den Ministerpräsidenten uneingeschränkt angeschlossen. "Bei dieser Betrachtung muss der zusätzliche Bedarf der Inklusion ebenso in Ansatz gebracht werden", fordert Gerd Weimer. Es müsse möglich sein, frei werdende Stellen für diese wichtige Zukunftsaufgabe einzusetzen, dies gäbe die UN-Behindertenrechtskonvention grundsätzlich vor. Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat hätten die Konvention bekanntlich bereits Ende 2008 einstimmig ratifiziert. "Ich finde es richtig und notwendig, dass bei der Bildung nicht gespart wird, damit Inklusion in der Schule in Baden-Württemberg keine Leerformel bleibt", so der Appell des Landes-Behindertenbeauftragten.
Nach den Vorstellungen des Landes-Behindertenbeauftragten muss sich ein inklusives Schulsystem insbesondere durch ein absolutes Elternwahlrecht, zieldifferente Unterrichtsangebote, entsprechende pädagogische Aus- und Fortbildungsangebote, Verortung der Sonderpädagogen an der allgemeinen Schule und umfassend barrierefreie Schulgebäude auszeichnen. "Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, werden alle von Inklusion profitieren", zeigte sich Gerd Weimer überzeugt. Dazu brauche es auf jeden Fall zusätzliche Ressourcen im Bildungssystem.