Eingliederungshilfe keine Subvention
Veröffentlicht am von Franz Schmahl
Berlin (kobinet) Für völlig abwegig hält die Bundesvereinigung Lebenshilfe die Idee, durch Einsparungen bei der Eingliederungshilfe Spielräume für den Abbau der sogenannten „kalten Steuerprogression" schaffen zu wollen. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Michael Fuchs macht diesen Vorschlag heute in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ulla Schmidt, Lebenshilfe-Bundesvorsitzende und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, kontert: „Es handelt sich bei der Eingliederungshilfe nicht um Subventionen, die der Staat nach Kassenlage kürzen oder aufstocken kann. Vielmehr ergibt sich der Rechtsanspruch auf die Eingliederungshilfe aus dem Grundgesetz und der UN-Behindertenrechtskonvention."
Die große Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag vor erst knapp fünf Monaten versprochen, dass ein neues Bundesteilhabegesetz eine vorrangige Maßnahme der neuen Bundesregierung sein soll, um die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung in ein modernes Teilhaberecht zu verwandeln. Dafür hat der Bund fünf Milliarden Euro zugesagt. „An dem Vorhaben darf nicht gerüttelt werden. Diese Reform hat schon viel zu lange auf sich warten lassen", so Ulla Schmidt. „Der Vorschlag von Herrn Fuchs widerspricht damit auch inhaltlich eindeutig dem Koalitionsvertrag."
Die derzeitige Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung ist eine elementare Leistung, die der Staat dieser Personengruppe als Ausgleich für ihre Nachteile zukommen lässt. Bislang ist die Eingliederungshilfe im Recht der Sozialhilfe geregelt. Eingliederungshilfe erhalten Menschen mit einer wesentlichen Behinderung, um die Folgen der Behinderung zu beseitigen oder zu mildern und um den Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Leistungen der Eingliederungshilfe sind zum Beispiel Unterstützung beim Wohnen und Arbeiten, in der Schule und Freizeit.
Von Beamtenschreck
Hallo Frau Maubach,
Einigkeit macht stark und satt, aber davon sind wir weit entfernt. Wir entfernen uns täglich immer mehr, wenn wir heute schon etwas verteilen, was morgen in Korrektur wieder ganz anders kommt. Könnten wir uns nicht dahingehend einigen, dass bei allem Verständnis für die Situation von uns behinderten Menschen, erst dann mit der Verteilung begonnen wird, wenn es soweit ist? Eins darf und sollte man nicht vergessen, egal was man uns behinderten Menschen hier erzählt oder was wir lesen, wird nicht die bisherigen Träger der Sozialhilfe verstummen lassen, wenn es darum geht, alte Hierarchien aufrecht zu erhalten. Man muss berücksichtigen, dass, wenn es so sein sollte, die Eingliederungshilfe aus dem SGB XII gestrichen würde, durchaus die Frage auftaucht, wie verhält es sich mit den geschlossenen Verträgen nach § 75 SGB XII etc. was ja für viele Regionen allein in der freien Wahl des Anbieters ein Problem darstellt. Was man auch nicht vergessen darf, ist
§ 6 des SGB XII ( Verhältnis zur freien Wohlfahrt ) welches auch zum Problem werden könnte, denn, kann ich mir nicht vorstellen, dass man bei den Großen, so einfach alles hinnimmt.
Jetzt wo die Summen, welche man ausgeben möchte bekannt sind, wird der Kampf für uns schwieriger, denn vom Kuchen wollten schon immer viele ein Stück abhaben, was ja auch gern
in der unterschiedlichsten Größe auf den Tisch kam.
Von Gisela Maubach
Vielen Dank Herr Drebes!
In unseren Einschätzungen sind wir offensichtlich sehr nah beieinander.
Dass das Teilhabegeld bei unserer Argumentation etwas in den Vordergrund gerückt ist, liegt an dem irreführenden Zusammenhang, den die ASMK konstruiert hat, denn dort wird mit folgendem Zitat ein Zusammenhang von Teilhabegeld und Streichung des Kindergeldes hergestellt:
"In der Folge soll durch die Gewährung des Teilhabegeldes, das dem selbstbestimmten Leben des Menschen mit Behinderung dient, der Anspruch der Eltern des erwachsenen behinderten Kindes auf Kindergeld entfallen."
Und weil denjenigen, denen hier das Kindergeld gestrichen werden soll, mit dem Teilhabegeld kein bisschen selbstbestimmtes Leben ermöglicht würde, ist dieser Zusammenhang bewusst falsch dargestellt (in der Hoffnung, dass die Abgeordneten es am Ende durchwinken, weil es so hübsch klingt?).
Ich gebe Ihnen vollkommen Recht, dass ansonsten natürlich die fehlende Personenzentrierung in den Vordergrund gehört, die für arbeitsunfähige Menschen mit geistiger Schwerstbehinderung bisher gänzlich fehlt.
Wenn hier im Beitrag zur Eingliederungshilfe zu lesen ist:
"Leistungen der Eingliederungshilfe sind zum Beispiel Unterstützung beim Wohnen und Arbeiten, in der Schule und Freizeit", dann scheint es notwendig zu sein, einen Blick in die Statistik zu werfen, um zu realisieren, dass die Eingliederungshilfe an 57 % der Leistungsberechtigten ausschließlich in Einrichtungen gewährt wird. Und außerhalb von Einrichtungen werden die Leistungen zu 44 % für minderjährige Empfänger gewährt.
Am 24. April habe ich die fehlende Personenzentrierung in einem Schreiben an Verena Bentele, Kerstin Tack, Uwe Schummer Corinna Rüffer und Katrin Werner beschrieben und bin sehr gespannt, welche Reaktionen darauf erfolgen.
Als nächster Schritt ist der Kontakt zu anderen Medien geplant, damit das Vergessen der "20 Prozent" endlich ein Ende hat.
Von Sven Drebes
Liebe Frau Maubach,
nein, sie sollen nicht aufhören.
Meiner Meinung nach haben Sie sich aber mit dem TeilhabeGELD auf einen Teilaspekt des Themas TeilhabeGESETZ eingeschossen, der von eher geringerer Relevanz ist, weil ich seine Verwirklichung in den nächsten Jahren für nicht sehr wahrscheinlich halte.
Viel entscheidender sind die Personenzentrierung und das Wunsch- und Wahlrecht, wo sie zu Recht auf Mängel in der bisherigen Diskussion hinweisen. Und was das TeilhabeGESETZ insgesamt betrifft, bin ich auch der Ansicht, dass Abwarten keine Option ist.
Es ist übrigens gar nicht seltsam, dass ASMK, BAGüS und Deutscher Verein die selben Textbausteine verwenden. Die Länder sind ja entweder selbst Sozialhilfeträger oder vertreten ihre Kommunen, Und der "Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. ist das gemeinsame Forum von Kommunen und Wohlfahrtsorganisationen sowie ihrer Einrichtungen, der Bundesländer und Vertreter der Wissenschaft für alle Bereiche der sozialen Arbeit und der Sozialpolitik." (Selbstbeschreibung auf dessen Homepage)
Von Gisela Maubach
Lieber Herr Drebes,
wenn abwarten sinnvoll ist, warum gibt es hier dann Überschriften wie "Bundesteilhabegesetz jetzt"?
Und warum sollten dann nicht auch alle (!) anderen Menschen mit Behinderungen abwarten, bis ein erster Referentenentwurf vorliegt?
Wenn wir alle darauf vertrauen könnten, was im Koalitionsvertrag zur Personenzentrierung steht, bräuchte sich ja auch kein anderer Mensch mit Behinderung mehr mit irgendwelchen Forderungen einzubringen.
Nicht über uns ohne uns findet für arbeitsunfähige Menschen mit geistiger Schwerstbehinderung immer noch nicht statt, und wie bereits erwähnt, werden von denjenigen Menschen, die in NRW ausnahmslos eine Werkstatt besuchen, in allen anderen Bundesländern mehr als 20 Prozent in Tagesförderstätten untergebracht, weil sie keine wirtschaftlich verwertbare Leistung erbringen können.
Da die Öffnung dieser Einrichtungen bis heute ausschließlich (!) in Richtung Arbeitsmarkt diskutiert wird, halte ich es sogar für absolut notwendig, bereits jetzt auf die Einrichtungsgebundenheit aufmerksam zu machen, da die Träger der Einrichtungen mit den Verbänden identisch sind, die ja aufgrund dieses Interessenkonfliktes gar kein eigenes Interesse daran haben können, den schwerstbehinderten Menschen mit einem Selbstbestimmungsrecht beim Verlassen ihrer Einrichtungen behilflich zu sein.
Seltsamerweise sind in den Schriftstücken der ASMK, der BAGüS und des Deutschen Vereins ganze Abschnitte identisch.
Und wenn als Einsparmöglichkeit sogar beim Kölner Sozialrechtstag vom Tagungsleiter das Kindergeld genannt wird, dann läuten spätestens dann alle Alarmglocken, wenn er noch hinzufügt, dass man dies aber noch nicht "hinausposaunen" möchte!!!!!
Bei Kürzungen vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden, kennen wir bereits, und deshalb ist abwarten für uns keine Option.
Ebenso wie die Einkommens- und Vermögensunabhängigkeit fast täglich thematisiert wird, ist es zwingend erforderlich, auch die Personenzentrierung der 20 Prozent zu thematisieren, die zu behindert für die Produktion in einer Werkstatt sind und ihre Tage in großen Schwerstbehinderten-Gruppen unter sich verbringen.
Diese Einrichtungsgebundenheit der Eingliederungshilfe muss aufgehoben werden, und die Streichung des Kindergeldes muss umgehend aus allen Plänen entfernt werden.
Solange hierzu keine einzige Stellungnahme vorliegt, werden wir dies auch weiter thematisieren.
Von Sven Drebes
Liebe Frau Maubach,
am besten vergessen Sie für die nächsten Monate alles, was sie bisher zum Thema "TeilhabeGELD" gelesen haben. Bisher gibt es dazu nämlich nur Wunschvorstellungen verschiedener Seiten.
- Die Länder und Sozialhilfeträger wollen tatsächlich ein Teilhabegeld von 660 € pro Monat, das an jeden, der Eingliederungshilfe bekommt, gezahlt werden soll. Davon sollen dann, je nach Variante, zwischen 80-100% auf die Leistung angerechnet werden soll.
- Die Verbände behinderter Menschen wollen dagegen ein Teilhabegeld, das nicht auf andere Leistungen angerechnet wird, sondern extra und pauschal gezahlt wird. Bei der Höhe und beim Kreis der Berechtigten gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen.
Ländern und Sozialhilfeträgern geht es also wirklich (vor allem) darum, Bundesgeld auf einem verfassungskonformen Weg in ihre Kassen zu leiten, die Verbände haben andere Ziele.
Ob sich der Bund auf ein Teilhabegeld einlässt, ist aber völlig offen. Darüber, wie die 5 Mrd. € vom Bund an die Kommunen gehen soll, existieren mehrere völlig verschiedene Ideen.
Sie sollten also abwarten, bis ein erster Referentenentwurf für ein Teilhabegesetz vorliegt.
Im Koalitionsvertrag steht übrigens, dass die ganze Eingliederungshilfe personenzentriert umgebaut und aus der Sozialhilfe herausgeholt werden soll, also auch die für Ihren Sohn.
Mal schauen, was sie daraus machen...
Von Inge Rosenberger
Es müssen ALLE beteiligten Gruppierungen, bzw. deren beauftragte Stellvertreter, an den gemeinsamen Tisch gerufen werden - ansonsten ist der weitere Ausschluss dieser Menschen vorprogrammiert.
Von Gisela Maubach
Zitat aus dem Beitrag:
"Bislang ist die Eingliederungshilfe im Recht der Sozialhilfe geregelt."
Habe ich zwischenzeitlich etwas verpasst, oder will die große Koalition nun tatsächlich die gesamte Eingliederungshilfe aus dem System der Sozialhilfe herausholen?
Den bisherigen Protokollen ist zu entnehmen, dass das geplante Teilhabegeld bis auf einen Selbstbehalt auf die Eingliederungshilfe angerechnet werden soll, sofern der 3-stellige Betrag zur Bedarfsdeckung nicht ausreicht.
Diese Feststellung ist deshalb von Bedeutung, weil laut Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes vom 12.12.2013 die Eingliederungshilfe an 57 % der Leistungsberechtigten ausschließlich in Einrichtungen gewährt wird!!!!!
Außerhalb von Einrichtungen werden die Leistungen zu 44 % für minderjährige Empfänger gewährt.
Nach Betrachtung der Statistik könnte mit einem Teilhabegeld in der momentan geplanten Konzeption also nur ein sehr geringer Anteil von Eingliederungshilfe-Empfängern (niedriger 1-stelliger Prozent-Bereich) aus der bisherigen Einrichtungsgebundenheit ausscheiden.
Wenn trotzdem für alle Betroffenen ab 18 Jahren ein Teilhabegeld gezahlt würde, entstünde dadurch laut BAGüS ein Finanzierungsbedarf von ca. 4 Mrd. Euro pro Jahr.
Wenn eine vorrangige Maßnahme der neuen Bundesregierung ein neues Bundesteihabegesetz sein soll, welches die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung in ein modernes Teilhaberecht verwandeln soll, wäre es in der Tat hilfreich, wenn die zugesagten Milliarden dann auch für ein Teilhaberecht ALLER (!) eingesetzt werden..
Die momentanen Pläne lassen eher vermuten, dass ausgerechnet diejenigen, für die das Teilhabegeld keinerlei Selbstbestimmungsrecht und keine anderen Verbesserungen mit sich bringt, mit dem Verlust des Kindergeld-Anspruches das Teilhabegeld für andere sogar noch mit-finanzieren sollen.
Hierzu hat bis heute leider immer noch kein Verantwortlicher Stellung genommen :-(