Wettbewerb hält Einzug in Werkstättensystem
Veröffentlicht am von Ottmar Miles-Paul
Mainz (kobinet) Künftig sollen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht nur in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, sondern auch bei anderen Leistungsanbietern in Anspruch genommen werden können, kündigte der rheinland-pfälzische Sozialminister Alexander Schweitzer gestern auf der Mitgliederversammlung der 36 rheinland-pfälzischen Werkstätten für behinderte Menschen in Trier an. Dort informierte der Minister über den Stand der Reform der Eingliederungshilfe und die zukünftigen Weichenstellungen der Werkstätten für die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.
"Mit der bevorstehenden Zulassung weiterer Anbieter hält der Wettbewerb Einzug in das deutsche Werkstättensystem. Die Einführung erweitert das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen bezüglich Ort, Art und Umfang der Leistung", erklärte Alexander Schweitzer. Das rheinland-pfälzische Sozialministerium werde sich dafür einsetzen, dass für die neuen Anbieter die gleichen Rahmenbedingungen gelten wie für bestehende Werkstätten. "Es ist uns wichtig, die bestehenden hohen Qualitätsstandards zu erhalten", sagte Alexander Schweitzer.
"Für die Länder war die Forderung nach personenbezogenen statt institutionsbezogenen Leistungen ein wesentlicher Antrieb, eine Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe zu fordern", betonte Alexander Schweitzer, der in diesem Jahr den Vorsitz der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) innehat. Vor allem vor dem Hintergrund der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention habe diese Forderung eine weitere Schubkraft bekommen, ein modernes Teilhaberecht zu entwickeln.
"Die Reform der Eingliederungshilfe umfasst zwei zentrale Themen, die für uns untrennbar verbunden sind: Die inhaltliche Reform der Eingliederungshilfe und die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Eingliederungshilfe", so Alexander Schweitzer. Der Minister begrüße es daher außerordentlich, dass sich Bund und Länder darauf verständigt haben, durch die Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes in der neuen Legislaturperiode auch den Bund mit rund fünf Milliarden Euro an den Kosten der Eingliederungshilfe zu beteiligen. "Dieser Schritt ist überfällig", unterstrich der Minister. Beabsichtigt sei eine Loslösung der Leistungen der Eingliederungshilfe vom System der Sozialhilfe und somit eine Herauslösung aus dem Sozialgesetzbuch XII. Nach Auffassung der Länder soll ein Bundesteilhabegeld für volljährige Menschen mit einer wesentlichen Behinderung eingeführt werden. So soll ihnen eine stärkere Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht werden. Eine weitere Forderung der Länder sei, das Bundesteilhabegeld ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen zu gewähren, so Alexander Schweitzer.
Der Minister lobte die Werkstätten für behinderte Menschen als einen unverzichtbaren Bestandteil der beruflichen Teilhabe. "Die Reform der Eingliederungshilfe wird nicht dazu führen, dass Werkstätten für behinderte Menschen überflüssig werden. Der Rechtsanspruch auf eine Werkstattbeschäftigung soll erhalten bleiben. Doch die Werkstätten müssen sich weiterentwickeln, um für die Zukunft gerüstet zu sein." Dazu gehöre es, die Angebote zu ergänzen und noch stärker auszudifferenzieren, um Menschen mit Behinderung eine ihren individuellen Ansprüchen entsprechende Teilhabe am Arbeitsleben anzubieten.
Von Gisela Maubach
Sehr geehrter Herr Schweitzer,
wenn künftig die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (!) nicht nur in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, sondern auch bei anderen Leistungsanbietern in Anspruch genommen werden können, ist das durchaus zu begrüßen, aber wie üblich sind auch hierbei wieder die arbeitsUNfähigen Menschen mit Behinderung von dem von Ihnen erwähnten Wunsch- und Wahlrecht ausgeschlossen.
Um Leistungen zur Teilhabe am Arbeits(!)leben bei anderen Anbietern in Anspruch nehmen zu können, muss der behinderte Mensch nämlich arbeitsfähig sein, so dass die Werkstätten sich zu Sammelbecken Schwerstbehinderter entwickeln, falls sie nur in Richtung Arbeitsmarkt verlassen werden dürfen.
Außerdem teilen Sie mit:
"Nach Auffassung der Länder soll ein Bundesteilhabegeld für volljährige Menschen mit einer wesentlichen Behinderung eingeführt werden. So soll ihnen eine stärkere Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht werden."
Auch hier "vergessen" Sie schon wieder den Personenkreis der schwerstbehinderten Menschen, die nicht für sich selbst sprechen können und bei denen nach Auffassung der Länder das Teilhabegeld auf die Werkstatt-Kosten angerechnet werden soll, so dass ihnen damit kein bisschen mehr Teilhabe ermöglicht werden soll.
Und leider haben Sie sich trotz zahlreicher Nachfragen immer noch nicht zu den Plänen der Länder geäußert, dass ausgerechnet bei diesem Personenkreis auch noch der Nachteilsausgleich in Form des Kindergeldes gestrichen werden soll.
Hierzu warten wir dringend auf Erklärungen, denn auch pflegende Angehörige sind nicht grenzenlos belastbar.