Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter hoch
Veröffentlicht am von Ottmar Miles-Paul
Nürnberg (kobinet) Die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen in Deutschland ist auch im Oktober mit 178.274 hoch. Während dies im Vergleich zum Vormonat 937 weniger schwerbehinderte Arbeitslose sind, sind es im Vergleich zum Vorjahresmonat 1.917 schwerbehinderte Arbeitslose mehr, also 1,1 Prozent.
Wenn man die rund 300.000 behinderten Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen, die monatlich durchschnittlich lediglich 185 Euro verdienen, und diejenigen behinderten Menschen in Tagesförderstätten hinzurechnet, denen aufgrund derzeitiger Regelungen kaum eine Chance auf eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingeräumt wird, wird die Brisanz deutlich. Deshalb erhoffen sich auch viele Verbände von der Bundesregierung und den Ländern mit der Schaffung des Bundesteilhabegesetzes bessere Chancen für eine Beschäftigung und Unterstützung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und eine gezielte Förderung der Inklusion statt der derzeitigen Ausgrenzung.
Link zur Statistik über die Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter im Oktober 2014
Von Gisela Maubach
Ganz herzlichen Dank an Dagmar B für diese Klarstellung:
Im Urteil ist in Absatz 109 auch zu lesen:
"Der Kläger ist dort zwar im Förderbereich untergebracht, doch ist nicht ansatzweise nachvollziehbar, weshalb der dort zugrunde liegende Betreuungsschlüssel von zumindest 1:4 für den Förderbereich einer Werkstatt nicht angemessen sein sollte."
Begründet wird dies damit, dass es in einer Werkstatt nicht ausschließlich um Betreuung geht, sondern die Werkstatt ist eben eine Einrichtung zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Und dann wird wiederholt auch § 136 Abs. 2 SGB IX zitiert, wo es hinsichtlich der Werkstattfähigkeit heißt:
"Dies ist nicht der Fall bei behinderten Menschen, bei denen . . . das Ausmaß der erforderlichen Betreuung und Pflege . . . ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zulassen."
Wenn ein behinderter - arbeitsunfähiger - Mensch von einem Arbeitsgericht (!) gekündigt werden kann, weil ein Betreuungsschlüssel von 1:4 für ihn nicht ausreicht, dann stellt sich die Frage, was mit denjenigen Menschen passiert, bei denen eben doch der Betreuungsbedarf im Vordergrund steht und für die unterhalb einer Werkstatt aber keine Tagesstruktur mehr vorgesehen ist.
Dieses Urteil wurde übrigens auch vom Rechtsdienst der Lebenshilfe vorgestellt (2/2014), und dort wird im letzten Absatz angemerkt:
"Für nicht werkstattfähige schwerstmehrfach behinderte Menschen sind andere, alternative Betreuungsmöglichkeiten zu schaffen."
Es bleibt zu hoffen, dass der Handlungsbedarf nun endlich erkannt wird, denn zwischen Werkstatt-Recht und Werkstatt-Pflicht besteht nun mal ein entscheidender Unterschied - spätestens dann, wenn der behinderte Mensch aus der Werkstatt rausfliegt, weil ein Betreuungsschlüssel von 1:4 für ihn nicht ausreicht . . .
. . . und von Selbstbestimmungsrecht und Inklusion sind wir hier Lichtjahre entfernt!
Von Dagmar B
http://openjur.de/u/670920.html
Zitat:
Auch wenn es sich insoweit nicht um einen Bereich nach § 136 Abs. 3 SGB IX handelt, ist doch zu berücksichtigen, dass die Arbeitsleistung nicht das zentrale Element ist, sondern die Betreuungsleistung. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass für Menschen, die die Voraussetzungen des § 136 Abs. 2 SGB IX nicht erfüllen, vom Gesetz ein besonderer Bereich zur Verfügung zu stellen ist, der in Nordrhein-Westfalen nicht besteht. Obgleich insoweit das Prinzip der Inklusion eingeführt ist, führt dies allerdings nicht dazu, nun die Maßstäbe des § 136 Abs. 3 SGB IX zugrunde zu legen. Denn es ist nicht Aufgabe der Beklagten, reine Betreuungen anzubieten, weil es sich nach wie vor - auch wenn ein Förderbereich besteht - um eine Werkstatt handelt.
Zitat Ende
Hier führt also die angebliche "Inklusion" ,also der "Schwerpunkt Arbeit" anstatt Betreuung zur fristlosen Kündigung.
Hallo Herr Miles Paul
Es kann nicht das Ziel sein,das Menschen mit schwersten Behinderungen demnächst nicht mehr betreut werden können,weil Sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten müssen und aufgrund der Schwere der Behinderung jederzeit kündbar sind.
Es kann auch nicht sein,das für Menschen,die nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können,keine inklusive Betreuungsform!!!außerhalb von Werkstätten!!!!!!! vorgehalten wird.
Daher wird es Zeit,sich mal mit:
Artikel 26 — Habilitation und Rehabilitation
(1) Die Vertragsstaaten treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, einschließlich durch die Unterstützung durch andere Menschen mit Behinderungen, um Menschen mit Behinderungen in die Lage zu versetzen, ein Höchstmaß an Unabhängigkeit, umfassende körperliche, geistige, soziale und berufliche Fähigkeiten sowie die volle Einbeziehung in alle Aspekte des Lebens und die volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens zu erreichen und zu bewahren. Zu diesem Zweck organisieren, stärken und erweitern die Vertragsstaaten umfassende Habilitations– und Rehabilitationsdienste und –programme, insbesondere auf dem Gebiet der Gesundheit, der Beschäftigung, der Bildung und der Sozialdienste, und zwar so, dass diese Leistungen und Programme
a.im frühestmöglichen Stadium einsetzen und auf einer multidisziplinären Bewertung der individuellen Bedürfnisse und Stärken beruhen;
b.die Einbeziehung in die Gemeinschaft und die Gesellschaft in allen ihren Aspekten sowie die Teilhabe daran unterstützen, freiwillig sind und Menschen mit Behinderungen so gemeindenah wie möglich zur Verfügung stehen, auch in ländlichen Gebieten.
zu beschäftigen und das in der Form,das nicht ausschließlich der Aspekt Arbeit und Arbeitsfähigkeit zu Grunde gelegt wird,sondern der Schwerpunkt: !!!!!! individuelle Bedürfnisse !!!!!
Wozu Ihre Gleichmacherei führt,kann man doch wunderbar dem Urteil entnehmen.
Von Markus
Mein Behindertenpädagogikprofessor Herr Jerg hat mir beigebracht, dass Menschen mit Behinderung selbstbestimmt leben wollen und dürfen.
Gleichzeitig haben mich er und andere Professoren während des Studiums in Ludwigsburg wegen meiner Behinderung in die Peercouncelingberatungsecke gedrängt, obwohl ich das gar nicht wollte. Ich wollte lieber mit Kinder und Jugendlichen etwas kreatives machen, als mir ethische Lebenskrisen von Menschen mit Behinderungen anhören. Wo bleibt da die Selbstbestimmung? Wo bleibt da die freie Berufswahl und die Würde des Menschen, wenn man gegen seinen Willen in die Peercounceling Schublade gesteckt wird?
Von Magö
Das ist eine Milchmädchen-Rechnung, denn hier wird unterstellt, sie seien arbeitslos, weil sie schwerbehindert sind. In Wirklichkeit nimmt die Zahl vor allem älterer Schwerbehinderter stetig zu. Wer aber im Alter schwerbehindert wird, ist oft nur eingschränkt erwerbsfähig, zumal Ältere eh Schwierigkeiten bei der Jobsuche haben. Und dass man alle Angestellten aus Werkstätten und Personen aus Tagesförderstätten auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigen kann ist wohl einer der sinnfreiesten Mythen der Behindertenbewegung.