Die Neugier bleibt
Veröffentlicht am von Franz Schmahl
Berlin (kobinet) Die Rostocker Journalistin Margit Glasow möchte als neues Mitglied im Landesvorstand der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern Menschen ermutigen, sich selbstbestimmt einzumischen und ihr Selbstvertretungsrecht wahrzunehmen. Im kobinet-Interview kündigt sie zugleich an, das von ihr herausgegebene Magazin inklusiv! um die Jahreswende auf eine Online-Zeitung umzustellen. Chancengleichheit und Selbstbestimmung für alle Menschen – das sei die große Herausforderung. Dafür will sie sich einsetzen – als Journalistin und als Politikerin.
kobinet: Du bist kürzlich in den Landesvorstand der Linken gewählt worden. Geht die Journalistin nun in die Politik?
Margit Glasow: Es gibt ja den alten Disput darüber, inwieweit man sich als Journalist politisch oder sogar parteipolitisch engagieren sollte. Ich bin immer ein politisch denkender Mensch gewesen. Und ich bin immer ein Mensch gewesen, der politisch aktiv war, in den letzten Jahren vor allem in der Selbsthilfe und in Vereinen. Durch meine langjährige Arbeit als Journalistin, insbesondere dadurch, dass ich mich intensiv mit dem Thema Inklusion beschäftigt habe, ist mir immer klarer geworden, dass es an der Zeit ist, mich in der Partei, in der ich meine weltanschaulichen Wurzeln sehe, stärker einzubringen. Wenn man Inklusion bis zu Ende denkt, kann es meiner Meinung nach nur darauf hinauslaufen anzuerkennen, dass es grundsätzlicher gesellschaftlicher Veränderungen bedarf. Chancengleichheit und Selbstbestimmung für alle Menschen – das ist die große Herausforderung. Dafür werde ich mich einsetzen – als Journalistin und als Politikerin.
kobinet: Deine Partei wurde gerade heftig kritisiert, auch in diesem Nachrichtendienst, als du auf dem Landesparteitag unter dem Motto "Aus Liebe zu M-V!" gewählt worden bist. Tickt die Linke in Mecklenburg-Vorpommern anders als in Thüringen, wo es bislang keinen Behindertenbeauftragten mehr gibt?
Margit Glasow: Ich glaube nicht, dass DIE LINKE in Mecklenburg-Vorpommern anders tickt als in Thüringen oder anderswo. Politik wird von Menschen gemacht. Da ist es aus meiner Sicht normal, dass es unterschiedliche Standpunkte gibt und dass wir uns damit auseinandersetzen müssen. Wo gehobelt wird, fallen bekanntlich Späne. Ob sich die Regierungsparteien in Thüringen einen Gefallen getan haben, Entscheidungen zu vertagen, wage ich allerdings zu bezweifeln. Aber mir fehlen die genauen Kenntnisse, um diesen Stau in Thüringen objektiv beurteilen zu können. Was ich allerdings wichtig finde, ist, dass wir starke Landesbehindertenbeauftragte brauchen – in Thüringen und anderswo, auch in M-V, wo dieses Amt übrigens überhaupt noch nicht existiert.
kobinet: Da ist also viel zu tun ...
Margit Glasow: Das Spezifische in unserem Bundesland ist, dass der Anteil an alten Menschen besonders hoch ist. Zwischen Alter und Behinderung gibt es aber einen engen Zusammenhang und beide Faktoren sind hohe Armutsrisiken. Wir sind – nach Bremen – das zweitärmste Bundesland, 23,6 % der Menschen sind arm oder von Armut bedroht. Darüber hinaus gibt es weitere Herausforderungen. So steigt die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die an den Förderschulen unterrichtet werden. Es besteht also dringender Handlungsbedarf.
DIE LINKE in M-V hat vor Kurzem – in Umsetzung des Landesparteitagsbeschlusses von 2014, für unser Bundesland einen Aktionsplan INKLUSION zu erarbeiten - eine Inklusionskonferenz durchgeführt. Dort wurde zum einen der Ist-Stand in Sachen Inklusion analysiert. Zum anderen wurden konkrete Maßnahmen erarbeitet, wie die gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe aller Menschen vorangetrieben werden kann. Es sind Forderungen aus den einzelnen Politikbereichen erarbeitet worden, die wir aktiv in den Landtagswahlkampf einbringen wollen – sei es aus dem Bereich der Bildung, der Arbeit und Beschäftigung, der Barrierefreiheit im ÖPNV, im Bauen und in der Kommunikation, in Gesundheit und Pflege und in der Bewusstseinsbildung. Ich möchte mich gern dafür einsetzen, das hier entstehende Netzwerk von Menschen mit entsprechender Sachkompetenz weiter auszubauen. Und ich möchte Menschen ermutigen, sich selbstbestimmt einzumischen und ihr Selbstvertretungsrecht wahrzunehmen.
kobinet: Aber ein wenig peinlich ist es doch, wenn in dem Bundesland mit dem bisher einzigen roten Ministerpräsidenten in Deutschland bis heute die Linke noch nicht eine Frau oder einen Mann für das verwaiste Amt vorschlagen konnte oder wollte?
Margit Glasow: Die LINKE regiert in Thüringen nicht allein. Wie gesagt, kenne ich die Details innerhalb Thüringens nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nicht ernst zu nehmende Gründe für eine solche Verzögerung gibt. Ich denke aber, wir sollten uns nicht zerstreiten, sondern schnellsten nach demokratischen Lösungen suchen. Wichtig ist meines Erachtens, dass wir uns den wichtigen Fragen unserer Zeit stellen. Wenn wir uns aktuell umschauen – und das tue ich mit großer Sorge – dann ist es dringend notwendig, unsere Kräfte zu bündeln, statt uns zu zerlegen. Haben wir nichts aus der Geschichte gelernt? Die Frage kann doch eigentlich nur lauten: Was müssen wir tun, um den Frieden in der Welt zu erhalten.
kobinet: Zurück zum Journalismus. Was ist von dir und deiner Neugier noch zu erwarten?
Margit Glasow: Meine Neugier wird bleiben – insbesondere auf Menschen in ihren ganz individuellen Lebenslagen und darauf, wie wir zu einer gerechteren Gesellschaft beitragen können. Darüber werde ich schreiben. Aber deine Frage zielt mit Sicherheit auch darauf ab, ob und wie es mit dem Magazin inklusiv! weitergehen wird. Nun, ich kann an dieser Stelle verraten, dass inklusiv! auf eine Online-Zeitung umgestellt wird. Die erste Ausgabe wird um die Jahreswende herum erscheinen. Schwerpunkt wird dabei das Bundesteilhabegesetz sein. Also: Ihr könnt verstärkt politischen Journalismus erwarten.
(Für das Interview bedankt sich Franz Schmahl)