Engagierte Diskussionen der Werkstatträte

Veröffentlicht am von Ottmar Miles-Paul

Arbeitsgruppe gerechter Lohn
Arbeitsgruppe gerechter Lohn
Bild: omp

Hamburg (kobinet) "Rein, Raus, Weg! Zukunft der Werkstatt", lautet der Titel der Fachtagung der Hamburger Werkstatträte und des Vereins W.I.R, die gestern in Hamburg zu Ende ging. Dabei gab es engagierte Diskussionen u.a. zu den Themen Frauenbeauftragte in Werkstätten, gerechter Lohn und zum geplanten Bundesteilhabegesetz.

Die weit über 150 Akteure aus verschiedenen Teilen Deutschlands erfuhren von Hans Peter Schell aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dass die Bundesregierung mit dem Bundesteilhabegesetz einige Verbesserungen schaffen will, die auch für Werkstatträte interessant sind. So soll nicht nur das Budget für Arbeit endlich bundesweit ermöglicht werden, sondern auch die Assistenz, die dabei für behinderte Menschen nötig ist. Statt der bisherigen reinen Mitwirkungsmöglichkeiten sollen Mitbestimmungsrechte beispielsweise in den Bereichen der Arbeitszeitgestaltung und der Entlohnung geschaffen werden. Entsprechende Schlichtungsverfahren sind geplant. Die Zahl der Werkstatträte soll in großen Werkstätten erhöht und die Freistellungsregelungen für Werkstatträte verbessert werden. Frauenbeauftragte sollen in den Werkstätten verpflichtend und entsprechend wie die Werkstatträte freigestellt werden. Allerdings sei bisher nicht vorgesehen, dass es in jeder Zweigwerkstatt eine Frauenbeauftragte gäbe. Diese liegen zum Teil weit von den Hauptwerkstätten entfernt. In Sachen besserer Lohn in den Werkstätten hatte der Vertreter des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales nicht viel zu bieten. Die Anrechnung auf die Grundsicherung solle verbessert werden, aber nur von 25 auf dann 50 Prozent.

Am ersten Tag hatte Barbara Vieweg von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) die Regelungen in der Werkstatt im Hinblick auf Gerechtigkeit kritisch durchleuchtet und deutlich gemacht, dass vor allem auch Alternativen zur Werkstatt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geschaffen werden müssen. In den Podiumsdiskussionen und Arbeitsgruppen ging es dann auch hoch her. Die Werkstatträte fordern seit vielen Jahren Verbesserungen und sind es beispielsweise leid, wenn ihnen zum Teil der Lohn noch gekürzt wird. Jährliche Einschätzungen zur Entlohnung setzen die WerkstattmitarbeiterInnen erheblich unter Anpassungsdruck. Ein Teilnehmer berichtete, dass er 75 Euro Grundvergütung bekommt, dazu noch eine Motivationszulage von 50 Euro im Monat. Diese Motivationszulage sei völlig willkürlich und nach Ansicht der Werkstatträte so völlig unakzeptabel. Ulrich Scheibner kritisiert als ehemaliger Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen die Vergütung in Werkstätten heftig. Er brachte das französische Modell ins Gespräch, wonach in Sozialbetrieben der höchste Lohn nur maximal 20 mal so hoch sein darf, wie bei demjenigen, der am wenigsten verdient.

In den Arbeitsgruppen wurden dann konkrete Aktivitäten geplant, so reichen die Vorschläge für Aktivitäten für einen gerechteren Lohn von Gesprächen mit der Werkstattleitung und der Politik bis zu Überlegungen für einen Streik.

Lesermeinungen zu “Engagierte Diskussionen der Werkstatträte” (1)

Von Dagmar B

https://www.youtube.com/watch?v=Lp4ses48lZI

Zitat:

Die Berufsbildungsmaßnahme von Jan und Leonie endet nächste Woche. Von den noch im Sommer geweckten Hoffnungen auf eine dauerhafte Beschäftigung der beiden hat sich der Träger kurz vor Ende der Maßnahme leider distanziert. Immerhin hat er sich jetzt bereit erklärt, beide mit finanzieller Unterstützung eines von der Kreisverwaltung finanzierten Budgets für Arbeit im Rahmen eines Beschäftigungsprojektes für 1Jahr einzustellen. In dem Jahr erhalten beide durch die Kreisverwaltung auch die Gelegenheit, sich fortzubilden. Danach ist nach dem Willen des Trägers für einen der beiden -also voraussichtlich für meinen Sohn Jan, da er wohl im Vergleich zu Leonie geringere " wirtschaftlich verwertbare Leistungen" erbringen wird - der Weg in der Tagespflegestätte zu Ende. Keine Perspektive, die einen nach 8 Jahren Vorbereitung fröhlich stimmt.
Zitat Ende

Das Budget für Arbeit also als Selektion vom ersten Arbeitsmarkt wegen zu geringer wirtschaftlich verwertbarer Leistung . Welche Möglichkeiten wurden denn jetzt in der Diskussion der Werkstätträte diskutiert, damit auch Menschen , die keine wirtschaftlich verwertbare Arbeit leisten können
, die Werkstätten , bzw. Förderstätten verlassen können?