Teilhabegesetz ist Mogelpackung

Veröffentlicht am von Christian Mayer

Raul Krauthausen: all inclusive or nothing
Raul Krauthausen: all inclusive or nothing
Bild: Sozialhelden

Berlin (kobinet) In einer Reaktion zur Einigung des Koalitionsausschusses zum Bundesteilhabegesetzes kritisiert das Netzwerk Abilitywatch die derzeit vorliegenden Pläne der Bundesregierung zum Bundesteilhabegesetz als Mogelpackung.

"Das Bundesteilhabegesetz, das angeblich Menschen mit Behinderungen Verbesserungen bringen soll, ist eine Mogelpackung. Es ist enttäuschend, dass man sich im Koalitionsausschuss auf den jetzigen Entwurf geeinigt hat, der sogar Verschlechterungen für Menschen mit Behinderungen bringt", sagt Raul Krauthausen, Aktivist und Gründungsmitglied des Netzwerks Abilitywatch, einem Zusammenschluss behinderter Menschen, die sich für gleichberechtigte Teilhabe und ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderungen einsetzen.

Bereits vor zwei Wochen hatten sich Rollstuhlfahrer und andere behinderte Menschen aus ganz Deutschland in der Nähe des Bundestages aus Protest angekettet, um auf die Mängel des Gesetzentwurfes aufmerksam zu machen. Zudem protestieren Hunderte Betroffene seit Wochen auf Twitter unter dem Hashtag #nichtmeinGesetz. Es sei daher enttäuschend, dass die Bundesregierung trotz der dargelegten Mängel des Entwurfes mit ihrem Kurs fortfährt. "Die Bundesregierung verhält sich wie ein Geisterfahrer auf der Autobahn, der glaubt, alle anderen fahren falsch", sagt Raul Krauthausen. "Die behinderten Menschen sind dagegen, die Elternverbände, die Sozialverbände, die Gewerkschaften - für wen macht die Regierung dieses Gesetz denn eigentlich, wenn es so niemand haben möchte?".

Nicht behindert genug

Zu einem der großen Mängel gehört die 5 aus 9 Regelung, die neu in der Einigung steht. Demnach bekäme eine sehbehinderte Studentin, die auf Assistenz beim Lesen an der Uni angewiesen ist, künftig nicht einmal die Assistenz finanziert, weil sie nicht in 5 von 9 Lebensbereichen, wie im Gesetz vorgesehen, Hilfe benötigt. "Sorry, du bist nicht behindert genug für Assistenz in dem einen Bereich. Das hört sich fast zynisch an, aber genau so ist es im Gesetzentwurf formuliert", erklärt Krauthausen.

Die zehn größten Mängel des Entwurfs zum Bundesteilhabegesetz sind hier aufgelistet: http://nichtmeingesetz.de/BTHGmaengel/

Häufig gestellte Fragen zum Bundesteilhabegesetz: http://nichtmeingesetz.de/faq/

Über Abilitywatch

Abilitywatch ist ein Zusammenschluss behinderter Menschen, die sich bundesweit für gleichberechtigte Teilhabe, Barrierefreiheit und ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen stark machen. Zu den Gründungsmitgliedern gehören: Constantin Grosch, Raul Krauthausen, Heiko Kunert, Christiane Link, Ottmar Miles-Paul und Nancy Poser.

www.nichtmeingesetz.de

Lesermeinungen zu “Teilhabegesetz ist Mogelpackung” (1)

Von Parteienkritiker

Aufpassen: Nicht zu viele neue Netzwerke kreiren (und sei es nur im virtuellen Raum wie Facebook, Twitter oder das "normale" Internet! Wenn wir wollen, dass wir von der Gesellschaft inkludiert werden, dann müssen wir uns auch bei anderen gesellschaftlichen Organisationen einklinken! Wenn von Unterstützung von Gewerkschaften die Rede ist, sollte auch offen dafür eingetreten werden, dort Mitglied zu werden (das gilt auch für behinderte Menschen in den WfMmB mit arbeitnehmerähnlichem Status oder aber auch ErwerbsminderungsrentnerInnen)! Außerdem sollte dringend mit den großen, internationalen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und/oder Human Right Watch kooperiert werden! Das Netzwerk Artikel 3 e. V. vermag zwar ein Kämpfer für Menschenrechte EINER benachteiligten Gruppe von Menschen (der mit Behinderungen eben) sein. Aber wenn sich der Koalitionsausschuss jetzt schon wieder eiskalt über 10% der betroffenen Menschen in Deutschland trotz unserer bisherigen Aktionen hinwegsetzt, dann können wir allein nur begrenzt auf unsere Menschenrechtsverstöße aufmerksam machen! Die zitierten Elternvereine können nur eine begrenzte Macht ausüben (da ja das Kindsein eigentlich mit der Volljährigkeit aufhört) oder haben sich durch das Schaffen von konzernartigen Strukturen und dem Schmieren von PolitikerInnen (z. B. die Lebenshilfe, Ulla Schmidt) diskreditiert! Wir müssen unser Spartendenken in der "Behindertenpolitik", die grundsätzlich auch IMMER Menschenrechtspolitik (und auch immer Wirtschaftspolitik!) ist, überwinden! Aber durch lauter Projektitis wurden andere Möglichkeiten der Mittelbeschaffung für Kampagnen und Schmierungsaktivitäten einfach nicht realisiert. Und die ISL e.V. hatte doch schon einmal einen Förderfonds eingerichtet, der aber irgendwie und irgendwann mangels xxx (Aktivität?) wieder eingestellt wurde. Über den Tellerrand hinausschauen, lautet nunmehr die Devise!