Bundesteilhabegesetz beschneidet Recht auf Selbstbestimmung

Veröffentlicht am von Gerhard Bartz

Wegweiser: Bundesteilhabegesetz - Sozialhilfe
Wegweiser: Bundesteilhabegesetz - Sozialhilfe
Bild: NITSA

Berlin (kobinet) Auf einer Fachveranstaltung des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) am 6. Juli 2016 in Berlin wurde ein Rechtsgutachten vorgestellt, das Professor Dr. Wolfgang Schütte von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg im Auftrag des ASB erstellt hat.

Prof. Schütte untersuchte den Referentenentwurf zum Bundesteilhabegesetz (BTHG) und kritisiert den Entwurf an zahlreichen Stellen. So zum Beispiel an den Zumutbarkeitsregelungen und an der Möglichkeit der Zusammenfassung der Bedarfe verschiedener Personen (Pooling). Der immense Ermessensspielraum von Behörden führe zu einer zu hohen Rechtsunsicherheit.

Der Referentenentwurf wurde im nun vorliegenden Gesetzentwurf ein wenig entschärft, im Wesentlichen blieben die von Prof. Dr. Schütte erarbeiteten Kritikpunkte erhalten.

Rechtsgutachten zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen

Hände in Unschuld waschen ist nicht!

Anmerkungen von kobinet-Redakteur Gerhard Bartz

Wenn der Gesetzgeber meint, scheinbar liberal klingende Gesetze erlassen zu können und den Kostenträgern die Drecksarbeit zu überlassen, so irrt er sich gewaltig. Denn erstens hat er im Artikel 4 der Behindertenrechtskonvention (BRK) zugesagt, dass er nur noch BRK-konforme Gesetze erlassen wird und zweitens sind Gesetze, die dem Artikel 3 unserer Verfassung zuwiderlaufen, nicht in Kraft zu setzen. Wen wundert es, dass sich die deutsche Bundesregierung und das sozialdemokratisch geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales vornweg weigert, die österreichische Übersetzung der BRK für Deutschland zu übernehmen.

Deutschland bleibt lieber bei der vermutlich interessengeleiteten freien Interpretation der Konvention. Vor dem Bundesverfassungsgericht hat jedoch der Bundestag und der Bundesrat alle Möglichkeiten, das neue Gesetz verfassungskonform zu verändern und zu prüfen, ob auch die Bedingungen der BRK erfüllt sind. Und am Ende des Prozesses muss unser Bundespräsident Gauck mit seiner Unterschrift bestätigen, dass das Gesetz diesen Vorgaben entspricht. Versagen die Prüfungen dieser Instanzen, wird das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner bisherigen Einschätzungen zum Artikel 3 unseres Grundgesetzes das BTHG zu prüfen haben.

Es ist also noch viel zu früh, die Flinte ins Korn zu werfen. Begleiten wir den Prozess der Gesetzwerdung, indem wir unseren Bundestagsabgeordneten die zahlreichen Untragbarkeiten dieses Entwurfes erläutern. Machen wir dem Gesetzgeber klar, dass es an keiner Stelle darum geht, Vorteile zu erlangen. Nein, es geht lediglich darum, Nachteile, die behinderten Menschen durch den Staat erfahren, zu beseitigen!

Lesermeinungen zu “Bundesteilhabegesetz beschneidet Recht auf Selbstbestimmung” (2)

Von Madevihotepa82

Man sollte den zuständigen Politiker/Innen, die ja aberwitzigerweise Volksvertreter sind, oder denken, sie vertreten unsere Interesssen, von all diesen obskuren Vorhaben abziehen und das Teilhabegesetz von Menschen mit Behinderung entsprechend verändern lassen. Das Arbeitsförderungsgeld sollte um satte 500 oder 700 € erhöht werden, das wäre fair und gerecht (!) Und warum? Weil Menschen es verdient haben. Für die diversen Gruppenleiter und jene, die in der Geschäftsstelle tätig sind, hat man doch gleichfalls Geld übrig; und das nicht zu wenig. Ich bin immer wieder ob des allem Anschein nach vorhandenen Lobbyismus schockiert. Es ist evident, das Deutschland sich nicht an geltende Regeln und normative Vorgaben der UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION hält, doch warum auch sollte man ein System ändern, wovon lediglich nur eine spezielle Gruppe von Menschen profitiert?

Grotesk ohnehin, das sich die Menschen dort nicht mal Gewerkschaftlich organisieren dürfen; da jene nur - man glaubt es kaum: Arbeitnehmer "ähnliche" Wesen sind

Ich bin fassungslos über diese gelebte Arroganz, Intoleranz, Dreistigkeit und verzeihen Sie: Scheiß-Egal-Manier der Bundesregierung bzgl. der Werkstatt-Thematik. Normalerweise gehören die alle wegen Versäumnissen der Politik verklagt! Was die Menschen in den Werkstätten gebrauchen ist Geld und nochmals Geld.

Von Uwe Heineker

Besagtes Rechtsgutachten stellt eine schallende Ohrfeige für die miserable Arbeit von BMAS und Regierung gleichermaßen dar, Ich vermisse nun die entsprechende Positionierung des Institut für Menschenrechte in der Funktion als Monitoringstelle zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Das BTHG darf in dieser Form nicht rechtskräftig werden!