Gedanken zum Autistic Pride Day in Berlin

Veröffentlicht am von Ottmar Miles-Paul

Katze mit Aufschrift: Ein behinderter Hund? Nein, das ist eine Katze!
Katze mit Aufschrift: Ein behinderter Hund? Nein, das ist eine Katze!
Bild: Stephanie Fuhrmann

Berlin (kobinet) Gestern fand wieder der "Autistic Pride Day" statt. Die Bedeutung dieses Tages geht weit über ein Wörterbuch hinaus, "stolz". Auf Autisten ist heutzutage fast niemand mehr stolz – Trauerphasen ab Diagnosestellung sind viel eher die Regel. Eltern, die hadern und zweifeln, weil ihr Kind nicht "normal" ist, wie sie es wieder "normal" bekommen könnten, wie sie es sich gewünscht hätten, schreibt Stephanie Fuhrmann in einem Kommentar für die kobinet-nachrichten über den gestrigen Autistic Pride Day, der auch in Berlin begangen wurde.

Kommentar von Stephanie Fuhrmann

Kinder lernen auf sich Selbst als das, was sie sind, worauf sie stolz sein können, aufzupassen. Sie lernen auch ein Leben in Würde zu führen, wenn man sie lässt. Selbstbestimmt. Dies ist möglich, wenn man ihnen vermittelt, dass sie gut so sind, wie sie sind. Wenn es niemand verbietet, anders zu sein, werden sie so aufwachsen. Lernen sie, dass sie nicht verbogen werden, dass man auf sie stolz ist wie auf andere Kinder auch, leben sie mit der selben Würde wie allen Kindern zuteil werden sollte.

Einige von uns Altautisten möchten diese negativ belastete Identität nicht an die Kinder weiter geben. Es ist ein feierlicher Tag der Würde, auch und gerade den autistischen Kindern gegenüber. Wir, die lernten dass es Menschen gibt, die stolz auf einen sind. Ohne Stolz auf die Kinder zu sein, ist es ein Leben ohne Würde.

Es ist an uns, gerade an diesem Tag nochmals ins Bewusstsein zu rufen, dass wir da sind, so wie wir auf die Welt kamen, mit einer eigenen Persönlichkeit. Das ist nicht selbstverständlich. Als erwachsene Autisten mit einer eigenen Identität werden jene Kinder nicht aufwachsen, auf die niemand stolz ist.

Das Wichtigste ist, sich selbst zu mögen wie man ist. Dazu gehört auch auf sich zu achten. Dies lernen Kinder nur, wenn es Menschen gibt, die ihnen mit Respekt und Akzeptanz begegnen und volle Gleichberechtigung erfahren. Und das unter Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse, obwohl – oft auch gerade weil – sie so sehr anders sind.

Stolz bedeutet auch das Leben in seiner Vielfalt zu feiern. Neurodiversität. Ein Wort das notwendig wurde in einer Welt, in der Respekt, Akzeptanz und Gleichbereichtigung nicht selbstverständlich sind. In einer Welt, wie sie heute jetzt ist, in der vielen autistischen Kindern unklar ist, ob sie überhaupt auf sich stolz sein können. Gerade jetzt ist solch ein Wort von großer Bedeutung. Teilhabe erfahren, so wie die Kinder und Autisten sind. Miteinander den Tag verbringen, ohne sich verstecken zu müssen, wie man ist. Das ist für unzählige Autisten unseres Landes selbst an diesem Tag nicht vergönnt.

Auch wenn kein Kind auch nur eine einzige Superkraft hat, sie sind es wert, stolz auf sie zu sein. Die autistischen Kinder sind wertvoll, so wie alle anderen auch, ungeachtet von Stärken oder Fähigkeiten. Es geht nicht um Erfolge und besondere Erlebnisse, eine gelungene Dressur zur Norm. Es geht darum, dass den Kindern ihre Würde geschenkt wird und darum, dass an einem solchen Tag, wie dem 18. Juni, dem Autistic Pride Day, dies ins Bewusstsein gerufen wird. Es gibt keine nutzlose Existenz, auf die man nicht stolz sein kann. Verschiedenheit ist etwas Gutes. Auch ein autistisches Kind ist gesunder Teil menschlicher Vielfalt, das man nicht heilen muss. Wir sind anders – nicht weniger.

Link zum Blog von Stephanie Fuhrmann White Unicorn