Erinnerungsvermögen auffrischen

Veröffentlicht am von Ottmar Miles-Paul

Sigrid Arnade vor der Glaswand mit dem Grundgesetz
Sigrid Arnade vor der Glaswand mit dem Grundgesetz
Bild: Rolf Barthel

Berlin (kobinet) Angesichts der bisher äußerst mageren bzw. nichtssagenden Ergebnisse in Sachen Behindertenpolitik bei den Sondierungsgesprächen für eine Jamaika-Koalition fordert die Geschäftsführerin der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL), Dr. Sigrid Arnade, vor allem die VerhandlungsführerInnen der Grünen auf, ihr Erinnerungsvermögen in Sachen Behindertenpolitik aufzufrischen und dafür zu sorgen, dass die konsequente Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention mit einem eindeutigen Bekenntnis für ein selbstbestimmtes Wohnen mit Assistenz möglichst konkret verankert wird.

"Wenn in den Ergebnissen der bisherigen Sondierungsgespräche in Sachen Behindertenpolitik lediglich der Satz 'Wir diskutieren weiter über die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes für Menschen mit Behinderung' zu finden ist, dann hat dies nichts mit einer anpackenden problemlösenden Zukunftspolitik zu tun, sondern erinnert eher an den weitgehenden behindertenpolitischen Stillstand während der schwarz-gelben Koalition von 2009 bis 2013. Ich hoffe, dass bei den weiteren Sondierungsgesprächen vor allem das Erinnerungsvermögen der VerhandlungsführerInnen der Grünen im Bereich Soziales eine Auffrischung erfährt, denn sowohl Katrin Göring-Eckardt als auch Markus Kurth haben langjährige Erfahrungen als behindertenpolitische SprecherInnen der Grünenfraktion gesammelt und sich immer wieder weit aus dem Fenster gelehnt, wenn es um die Selbstbestimmung und die Menschenrechte behinderter Menschen ging", erklärte Sigrid Arnade.

Den bisherigen Satz in Sachen Bundesteilhabegesetz könne man nach Ansicht von Sigrid Arnade getrost aus dem Papier zu den bisherigen Sondierungsergebnissen streichen, denn über die Umsetzung des Bundesteilhabegestzes werde ohnehin und zwangsläufig diskutiert. "Solche nichtssagenden Plattitüden gehörten vielleicht in Koalitionsverträge des letzten Jahrtausends, heute entlarven sich diese jedoch schnell selbst und haben nichts mit einer längst überfälligen Weiterentwicklung der Behindertenpolitik im Sinne der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu tun", betonte Sigrid Arnade. Immerhin gehe es hier um einen Anteil von 15 bis 25 Prozent der Bevölkerung, die von der Behindertenpolitik betroffen sind.

Behinderte Menschen fragten sich beispielsweise, ob die Wahlrechtsausschlüsse von behinderten Menschen endlich gestrichen werden, ob der Kostenvorbehalt bei teurerer ambulanter Unterstützung und das Zwangspoolen im Bundesteilhabegesetz abgeschafft werden, ob die unabhängige Teilhabeberatung wirklich nur fünf Jahre lang finanziert werden soll oder wie sichergestellt wird, dass die Barrierefreiheit endlich auch im privaten Bereich gilt, also dort, wo die Menschen leben, erklärte Sigrid Arnade. Vor allem gehe es um die Frage, ob endlich die Türen der Aussonderungsanstalten geöffnet werden und eine echte Inklusion durch gezielte politische Prioritätensetzungen der Standard wird.

Siehe hierzu auch den Beitrag: Ein nichtssagender Satz bei bisheriger Sondierung