Armin Rist: Viel unterwegs für Inklusion
Veröffentlicht am von Ottmar Miles-Paul
Rottenburg (kobinet) Der Inklusionsbotschafter Armin Rist ist vor allem in Baden-Württemberg viel unterwegs und mischt dort als engagierter Mensch mit Lernschwierigkeiten in vielen Bereichen der Behindertenpolitik und -arbeit mit. Das Ziel der Inklusion und die Selbstbestimmung behinderter Menschen sind ihm dabei besonders wichtig, wie Susanne Göbel vom von der Aktion Mensch geförderten Projekt "InklusionsbotschafterInnen – Vernetzung von UnterstützerInnen auf dem Weg zur Inklusion" berichtet, die ausführlich mit Armin Rist über sein Wirken und seine Ziele als Inklusionsbotschafter sprach.
Dass für Armin Rist ein professionelles Auftreten wichtig ist, das merkt man schon, wenn man ihn trifft. Er zieht sich für Termine daher auch öfter den guten Anzug und eine Krawatte an und bereitet sich trotz seiner langjährigen Erfahrungen gut vor. "Ich habe mit der Selbsthilfevertretung im Kaffeehäusle in Reutlingen im Arbeitskreis Selbstbestimmung angefangen. Ich habe über den Tellerrand hinweg geschaut. Dann bin ich Inklusionsbotschafter geworden, dann kam die Ausbildung zum Inklusionsbegleiter und jetzt mache ich auch noch bei der Peer Beratung mit", beschreibt Armin Rist seinen Werdegang im Bereich der Selbstvertretung.
Armin Rist berät und unterstützt Menschen mit und ohne Behinderungen, die zu Hause leben, die in Werkstätten arbeiten, in Einrichtungen leben oder die er bei Organisationen wie zum Beispiel bei der Lebenshilfe trifft. Zum Beispiel wirkt er auch im Vorstand des Landesverbandes der Lebenshilfe in Baden-Württemberg mit. Dabei hält er auch immer wieder Vorträge zu einzelnen Themen der Behindertenarbeit, manchmal auch an Hochschulen. Dabei versteht er sich als Netzwerker und Brückenbauer in den verschiedenen Bereichen, sei es bei Landräten, Bürgermeistern, Abgeordneten oder der Stadtverwaltung. Aber auch in Schulen und Kindergärten wirbt Armin Rist immer wieder für Inklusion und die UN-Behindertenrechtskonvention. Die Arbeit vor Ort, also auf der kommunalen Ebene, wie zum Beispiel bei seiner Mitarbeit im Behindertenbeirat der Stadt Rottenburg, liegt Armin Rist besonders am Herzen. Dabei ist es seiner Ansicht nach besonders wichtig, dass die verschiedenen Akteure an einem Strang ziehen.
Am liebsten wäre es dem Schwaben, wenn man "gar nicht mehr aufzählen muss, wer wo Inklusion macht, sondern dass Inklusion überall stattfindet. Ich war zu lange in der Sonderschule, im Werkstattbereich, in den Sondereinrichtungen und in den sogenannten Schubladensystemen. Diese Schubladensysteme habe ich alle mitgemacht – für mich waren die nicht gut, wie ein Tiger oder Löwe in der Wilhelma im Käfig: hin und her laufen, aber eingesperrt."
Die Öffentlichkeitsarbeit findet Armin Rist besonders wichtig, deshalb ist Armin Rist auch unter die Radiomoderatoren gegangen und hat eine eigene Sendung beim Freien Radio Wüste Welle in Tübingen. "Meine Sendung läuft pro Monat ein bis zwei Mal - und hinterher wird noch Essen gegangen", betont er. Öffentlichkeitsarbeit und Politik macht Armin Rist also so richtig Spaß.
Auf die Frage, warum er so politisch ist, werden die Ambitionen von Armin Rist deutlich: "Ich habe eine Behinderung, ich will die besten Bedingungen für behinderte Menschen erreichen." Deshalb kann er sich ein zukünftiges Engagement als Behindertenbeauftragter oder in einer Partei gut vorstellen. Den Schwung für solche Ziele nimmt Armin Rist auch daher, weil seine Eltern sich engagiert haben und Gründungsmitglieder der Lebenshilfe Reutlingen waren. "Die haben mich nicht versteckt. Die haben mich von Anfang an mittendrin groß werden lassen und gefördert, wo es notwendig war. Deshalb ist es für mich wichtig, mit dem Empowerment weiter zu machen und Barrieren in den Köpfen abzubauen."
Die Selbstvertretung von Menschen mit Lernschwierigkeiten ist für Armin Rist eine stetige Selbstmotivation, denn wenn das Wunsch- und Wahlrecht eingehalten werden soll, dann müssen die Menschen selbst zu Wort kommen. Wenn andere Menschen über Armin Rist bestimmen, geht das für ihn gar nicht. "Das aller Schlimmste wäre, wenn ich von der Gesellschaft weggesperrt werde, das ist dann die Exklusion. Und jeder weiß, was in der Exklusion war: auch die sogenannte 'Euthanasie'. Sondersysteme sind gefährlich für uns. Wenn ich mich diskriminiert fühle, geht es mir überhaupt nicht gut. Da kriege ich mehr epileptische Krampfanfälle."
Auf die Frage, was ihn nervt, muss Armin Rist erst einmal länger nachdenken: "Auf jeden Fall was mich nervt, allgemein wenn man sagt: Menschen mit Handicap oder mit Beeinträchtigungen, dass die null Ahnung haben. 'Der Vollidiot' und 'Mongo' hat man früher zu mir gesagt. Ich bin dann hasserfüllt, weil da kommt bei mir der Jagdinstinkt, hört sich blöd an. Depressiv, aggressiv …. Ich pass heute gar nicht mehr so auf, ich bin heute auch um einiges frecher geworden – ich sage was zurück. Dann haben die ein Problem, aber ich nicht. Das ist ein Problem von der Gesellschaft, weil sie meinen‚ 'der ungeformte Mensch mit Behinderung wehrt sich nicht‘ und wenn ich dann zurück gebe, dann sind die überrascht." Bei Tagungen hat Armin Rist gelernt, wie man sich wehren kann.
Die UN-Behindertenrechtskonvention und die damit verbundenen Weiterentwicklungen, von der ehemaligen "Euthanasie" bis heute, mit den Kopfbarrieren der Gesellschaft, die baulichen Barrieren, die kommunalpolitischen Beiräte, über Integration und Inklusion zum Bundesteilehabegesetz, die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB), dass man auch mit Finanzierungen noch mehr unterstützt, dass behinderte Menschen ihre Möglichkeiten und Ziele besser ausleben können - das freut Armin Rist. Dabei macht er natürlich deutlich, dass da auch noch vieles im Argen liegt. "So lange ich hier auf der Erde bin, will ich alles tun, was mir noch möglich ist. Ich setze mich ein, dass ich für das Individuum des Menschen kämpfe für eine gute kommunalpolitische Arbeit und wir endlich einmal das große Ziel erreichen, wie die Südtiroler und skandinavischen Länder und die USA, dass wir an deren guten Systeme andocken und dass wir da gemeinsam an einem Strang ziehen. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns in Berlin mit den Parlamentariern öfter austauschen."
Und Wünsche hat Armin Rist für sein weiteres Leben auch noch, wenn da eine gute Fee käme. "1. eine herzensgute Frau. 2. Insgesamt: gute Qualifizierungen für Menschen mit Behinderungen, die arbeiten wollen und für die, die mit Menschen mit Behinderungen arbeiten. 3. Für mich auch eine gute Qualifizierung. Mein Traumjob: Parlamentarier." Ein Praktikum könnte hier vielleicht mal ein Anfang sein. Als persönliche Herausforderung benennt der Inklusionsbotschafter, dass er unbedingt seine Flugangst abbauen möchte, denn bisher ist er noch nie geflogen.