Steuervergeudung hat lautlos die Milliardengrenze überschritten

Veröffentlicht am von Gerhard Bartz

Größenverhältnis Kölner Dom zur Zigarettenschachtel / Ausgaben zu Einnahmen Einkommens- und Vermögensanrechnung
Größenverhältnis Kölner Dom zur Zigarettenschachtel / Ausgaben zu Einnahmen Einkommens- und Vermögensanrechnung
Bild: Artwerk Bend Füllenbach

Grimma (kobinet) Am 18. Dezember 2013 hat der Verschwendungszähler auf der ForseA-Homepage die Milliardengrenze überschritten. Kurz vor der Mittagsstunde wechselte die Anzeige in eine nunmehr 10-stellige Zahl. Mit dieser Zahl bringt ForseA die Verschwendung von Steuermitteln in Verbindung. Steuermittel, die dafür verwendet werden, um im selben Zeitraum (seit dem 1.12.2011) ca. 24 Millionen an Eigenanteilen für die Einkommens- und Vermögensanrechnung einzunehmen.

Gegenüber den kobinet-nachrichten erklärte Jens Merkel, stellvertretender ForseA-Vorsitzender: "Eigentlich hätte es am 18. Dezember einen Donnerschlag geben sollen, als die Milliardengrenze überschritten wurde. Zur Verdeutlichung: eine Milliarde sind Eintausend Millionen! Doch nichts geschah. Dies ist um so seltsamer, wenn man sich vor Augen hält, welches Geschrei losgetreten wurde, als in der Öffentlichkeit das Drohnendesaster skandaliert wurde. Alle Medien berichtete, das Fernsehen brachte Sondersendungen. Hier hingegen sind nur Menschen mit Behinderungen betroffen. Diese Milliarde wurde wohl allein aus Gründen der Abschreckung ausgegeben, man will Bürgerinnen und Bürger davon abhalten, ihre gesetzlichen Rechte in Anspruch zu nehmen. Dass man damit auch noch Legionen von Arbeitsplätzen erhält, ist im öffentlichen Bereich ein durchaus angenehmer Nebeneffekt. Die fortgesetzte Verletzung der Behindertenrechtskonvention wird von der Politik ignoriert. Wenn man selbst die Gesetze macht, darf man doch sicher auch entscheiden, ob man sich daran halten möchte? Erste Aussagen von Frau Bundesministerin Nahles lassen Vergleiche zur Vorgängerregierung zu. Denn auch bei jener wurden konkrete Aussagen sofort diffus, sobald sie in die Regierungsverantwortung wechselte."

Anlässlich des Durchbruchs durch die Milliarden-"Schallmauer" hat ForseA-Vorstandsmitglied Dr. Klaus Mück sich in einem Aufsatz "Subsidiarität und  Nachteilsausgleich" ausführlich mit der Anrechnung von Einkommen und Vermögen bei Menschen mit behinderungsbedingtem Assistenzbedarf auseinandergesetzt. Er hat in der Vergangenheit auch schon den Satz "Je konkreter eine Aussage ist, desto eher ist der, der sie macht, nicht an einer Regierung beteiligt." geprägt. Dem ist nichts hinzuzufügen, denn dieser gilt anscheinend immer.

Lesermeinungen zu “Steuervergeudung hat lautlos die Milliardengrenze überschritten” (6)

Von G. Niedermeier

Danke für die Verlinkung, der Text war mir sogar bekannt, aber ich hatte ihn als weniger konkret in Erinnerung. Bei erneuter Betrachtung scheint er aber wirklich ausführlich genug. Entschuldigen Sie bitte, falls ich für Irritationen gesorgt habe.

Von brk jetzt

ForseA hat den Berechnungsmodus veröffentlicht: http://www.forsea.de/projekte/Teilhabesicherunggesetz/ForseA-Faktenblatt_zur_Unwirtschaftlichkeit_der_Beduerftigkeitspruefung.pdf

Diese Berechnung wurde bislang noch von keiner Stelle, auch nicht von Regierungsseite, widerlegt.

Von G. Niedermeier

Ich kann gerne aussprechen, was eigentlich klar sein sollte: Selbstverständlich halte ich die Aktion, auf die durch die Prüfung bezüglich des Vermögenseinatzes von behinderten Menschen begründete Verschwendung von Geldern hinzuweisen und dagegen zu wirken, für gut und richtig, allerdings denke ich, dass es das A und O einer solche Einlassung ist, ob sie nachvollziehbare und wohldurchdachte Zahlen nennt und darlegt wie gerechnet wird. Ich glaube auch, dass die betreffenden Stellen nicht den Nährboden für die eigene Abschaffung bereiten wird, umso mehr sind belastbare Zahlen notwendig. Es bestreitet doch keiner ernsthaft, dass Behörden Rechte und Pflichten verletzen und immer wieder Leistungen verweigert, verzögert oder in falscher Höhe bewilligt werden, jedoch ändert das nichts am fraglichen Sachverhalt.

Von harle

@G. Niedermeier – Zitat: „Ich habe natürlich keine Anhaltspunkt darüber, ob und wie viele Menschen aus Politik und Verwaltung sich mit den Aussagen gründlich befasst haben, …“ -

Sicher wird sich die Bürokratie von Amtswegen NICHT von selbst und von sich aus analytisch mit ihrem Sinn und Unsinn ihres Tuns befassen.

Negative Beispiele über das Verwaltungshandeln geben zu Hauf die komplexen Bundessozialbehörden, zuständig für SGB II (Hartz IV) und SGB III (Agentur für Arbeit) in Verbindung mit § 17 SGB I Ausführung der Sozialleistungen.
Dort heißt es in „Abs.1:
Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass
1. jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält,
2. die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen,
3. der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke und
4. ihre Verwaltungs- und Dienstgebäude frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren sind und Sozialleistungen in barrierefreien Räumen und Anlagen ausgeführt werden.“

Warum sollte der Bürokrat sich selbst seinen Arbeitsplatz wegrationalisieren wollen?

Von G. Niedermeier

Ich bin der Meinung, dass die der Debatte zugrunde liegenden Berechnungen offen dargelegt werden sollten, zum Beispiel, wie der durchschnittliche Zeitbedarf für einen Sachbearbeiter aussieht, wenn er die Kontonachweise anfordert, wenn er diesbezügliche Widersprüche zu bearbeiten hat, was im Falle von Dauerwidersprechern passiert und welche Gehälter zugrunde gelegt werden. Es werden bisher nur wenig wirklich aussagekräftige Ansatzpunkte dargestellt und wenige greifbare Zahlen. Wir bewegen uns damit - zumindest drängt sich mir dieser Gedanke auf - auf einer Linie, die Gefahr läuft, nicht ganz ernst genommen zu werden. Ich habe natürlich keine Anhaltspunkt darüber, ob und wie viele Menschen aus Politik und Verwaltung sich mit den Aussagen gründlich befasst haben, das zugrunde liegende Werk scheint mir aber aufgrund ungenauer Angaben noch nicht optimal.

Von Uwe Heineker

Bravo Klaus Mück: sein brandaktueller Aufsatz "Subsidiarität und Nachteilsausgleich" bringt die ganze Problematik sehr anschaulich und treffend auf den Punkt!

Nun gilt es vor allem, diesen Sachverhalt auch einer breiteren Öffentlichkeit näher zu bringen, also dies an die Medien weiter zu geben - damit hoffentlich und endlich ein Aufschrei und Ruck durch's Land zieht ... !