20 000 für Petition an die Bundeskanzlerin

Veröffentlicht am von Franz Schmahl

Erstunterzeichner der Petition an Bundeskanzlerin Merkel
Erstunterzeichner der Petition an Bundeskanzlerin Merkel
Bild: Change.org

Berlin (kobinet) Die von Anastasia Umrik, Raul Krauthausen, Julia Probst, Samuel Koch und Constantin Grosch am 18. Dezember an Bundeskanzlerin Angela Merkel gerichtete Petition trägt bis heute mehr als 20 000 Unterschriften. Viele Frauen und Männer nicht nur aus der Behindertenszene begründeten zudem ihre Motive, warum sie die Bitte der fünf Erstunterzeichner an die deutsche Regierungschefin unterstützen, in ihrer kommenden Neujahrsansprache auch die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit von Menschen mit Behinderungen in Deutschland zu würdigen. Die Bundeskanzlerin wurde zum Ende des von ihrer Regierung ausgerufenen Jahres der Inklusion aufgefordert, den vielen tausend Arbeitnehmern mit Behinderung und solchen, die es werden wollen, zu zeigen, dass es sich lohnt zu kämpfen. "Ermuntern Sie Unternehmen, dass es richtig und sinnvoll ist, Menschen mit Behinderungen als Arbeitskräfte einzustellen und dass Sie politisch in den nächsten Jahren noch vieles in diesem Bereich bewegen wollen", heißt es in der Petition auf Change.org.

Lesermeinungen zu “20 000 für Petition an die Bundeskanzlerin” (9)

Von behindertenrecht

Prosit Neujahr !
Gott sei Dank, ist Erfolg immer noch - das Ergebnis von Anstand, Respekt und Liebe und davon habe ich in der Neujahresansprache nichts gehört .
Das ist genauso wie mit der Bezeichnung des Wohl bei nichteinwilligungsfähigen Menschen, das man einfach in den "Raum" stellt und sogar dann von Wohl ausgeht, wenn dem Betroffenen die nichtteilbaren Menschrechte vorenthalten werden .

Von Gisela Maubach

. . . "das nächste Mal könnt Ihr ja eine Petition schalten zur vorgeburtlichen Diagnostik auf ein Erfolgsgen."

Liebe Dagmar B,
die Erfahrung zeigt, dass die selbsternannten Behinderten-Vertreter jede (!) Form der vorgeburtlichen (sogar der vor-Implantations-) Diagnostik ablehnen und regelmäßig aufschreien, wenn dieses Thema auf irgendwelchen Tagesordnungen erscheint, weil sie sich diskriminiert fühlen.

Die Scheinheiligkeit liegt eher darin, dass beim geborenen Leben anschließend alle Menschen ausgrenzt werden, die sich nicht selbst vertreten können, denn wer sich mit hilflosen Menschen nicht identifizieren will, fühlt sich durch deren Benachteiligung auch nicht (mehr) diskriminiert. Scheinheilig deshalb, weil für jede/n nachvollziehbar sein müsste, dass die wirklichen Interessen nicht von Verbänden vertreten werden, die gleichzeitig Träger derjenigen Sondereinrichtungen sind, wo das Teilhabegeld hinfließen soll.

Die geplante Kindergeld-Abschaffung macht deutlich, dass man offensichtlich hofft, dass die betroffenen Eltern bereits zu sehr belastet sind, um nennenswerten Widerstand leisten zu können.
Und von denjenigen Menschen mit Behinderung, die für ein Teilhabegeld ohne Anrechnung ihres Einkommens kämpfen, ist natürlich auch keine Unterstützung zu erwarten.

Und ganz besonders scheinheilig ist die Begründung, mit der man das Kindergeld abschaffen will - nämlich das Teilhabegeld!
Diejenigen, bei denen das Teilhabegeld gar nicht ankommen würde, sollen also auf das Kindergeld verzichten, um diejenigen zu fördern, die vom Teilhabegeld profitieren würden!!!

Nachdem die Ungleichbehandlung mit der Regelbedarfsstufe 3 (Kürzung auf 80 % des Existenzminimums) noch lange nicht bis zum Bundesverfassungsgericht vorgedrungen ist, will der Gesetzgeber pflegenden und betreuenden Eltern also erneut in's Gesicht schlagen, indem man ihnen bewusst das Kindergeld streichen will.

Wie zynisch es da klingt, wenn uns Eltern Kraft und Trost gewünscht wird, müsste jeder erkennen, der die Gesetzesplanungen durchliest.
Grenzenlose Belastbarkeit lässt sich lässt sich aber leider nicht durch gute Wünsche erreichen!

Von Dagmar B

Na,das war doch eines nettes Ohrenkraulen für "erfolgreichen Menschen "mit Behinderung,die zum Erfolg des Landes beitragen.

für die anderen gab es ja freundlicherweise auch eine Botschaft:


Sie wünscht die Kraft und den Trost, auch das Schwere im Leben zu tragen.

Aber sicher,
Pflegende Eltern werden es tragen,aufs Kindergeld zu verzichten....
"Werkstadtuntaugliche" Klientel werden es ertragen,noch massiver ausgegrenzt zu werden ,damit die erfolgreiche Klientel 600 Euro Teilhabegeld für Ihren Erfolg kassieren kann und die Eingliederungshilfe nicht angerechnet wird.
Irgendwo muß ja zugunsten der erfolgreichen Behinderten gespart werden,und es ist ja insgesamt ohnehin üblich,bei den Benachteiligten den Hahn abzudrehen.

Herzlichen Glückwunsch,Ihr Erfolgreichen,
das nächste Mal könnt Ihr ja eine Petition schalten zur vorgeburtlichen Diagnostik auf ein Erfolgsgen.
Dann könnte man alles andere ausschalten,rechtzeitig,damit es keine Kosten verursacht und den Erfolgreichen nicht im Wege steht.
Vielleicht wäre es sogar menschenfreundlicher,ohnehin kurzen Prozess zu machen?Dann muß keiner ungebührlich unter dem Elend der Dauerignoranz leiden?
So schwer war das doch garnicht vor 70 Jahren,oder?

Von Sven Drebes

Liebe Petent_innen,

da habt ihr eure "Würdigung". http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2013/12/31/drk_20131231_1805_5b0f1525.mp3
Seid ihr jetzt zufrieden????
Ich finde die ganze Aktion nach wie vor unsinnig und der Demokratie nicht gerade zuträglich.

Von Gisela Maubach

@ Arnd Hellinger

Danke für den Vorschlag! Ich würde ihm zustimmen - wenn der Text denn noch nachträglich so ergänzt werden könnte.

Von Gisela Maubach

Richtig - ich finde es sogar notwendig, genau dort auf die Ausgrenzungen hinzuweisen, wo sie stattfinden. Das kann auch schon mal woanders sein - wie z.B. hier, wo Samuel Koch erklärt hat: "Es gibt Leute, die von einer körperlichen Behinderung ganz schnell auf eine geistige Behinderung schließen":

http://rollingplanet.net/2013/09/30/auf-dem-po-sitzt-er-ja-aeltere-damen-kneifen-samuel-koch-in-die-wange/

Wer den Sinn des Begriffes Inklusion anderen Menschen vermitteln will, der sollte erkennen, dass NIEMANDEM in die Wange gekniffen werden darf und dass mit JEDEM Menschen respektvoll umzugehen ist.
Wer sich aber deshalb beschwert, dass man ihm in die Wange kneift, weil (!) man ihn für geistig behindert hält und er Wert darauf legt, eben nicht wie ein geistig Behinderter behandelt zu werden, der sollte noch etwas Nachhilfeunterricht in Sachen Inklusion nehmen, bevor er als einer der Erstunterzeichner von der Bundeskanzlerin gewürdigt werden möchte.

Von Arnd Hellinger

Die von Frau Maubach et al. vorgebrachte Kritik an dieser Petiti9n ist leider berechtigt. Es besteht (nicht nur!) hier nämlich tatsächlich die Gefahr, dass Menschen mit unterschiedlicher Behinderung sich gegenseitig ausgrenzen - oder sollte ich lieber schreiben, dass sie sich ihre Pfründe streitig machen...?
-
Das Problem ließe sich aber ganz einfach durch Ergänzung der Eingabe um einen Passus des von Frau Maubach skizzierten Inhalts - "arbeitsunfähige MmB und deren betreuende Angehörige dürfen hierbei jedoch nicht zusätzllich schlechter gestellt werden" - im Interesse Aller lösen.

Was halten die AutorInnen von diesem Vorschlag???

Von harle

@Gisela Maubach
Ja, bewundernswert wie Sie schreibend kämpferisch der „bewussten Exklusion"-Gesellschaft mit Hilfe von „kobinet“-Nachrichten den Inklusions-Spiegel hinhalten.

Ja, regelmäßig berichten hiesige Medien über ökonomische Verwerfungen, auch in den südlichen Ländern der Europäischen Union. Art und Blickwinkel ihrer Darstellungen sind aber leider oft sehr verharmlosend, extrem ‚deutsch‘tümelnd und jetzt ‚koalitions-merkel/gabriel‘-selbstgerecht und - jadoch! - markt-, das heißt kapitalkonformistisch.
Hinter dem Geschwätz der Pressekonferenzen von den Politikern von Regierungen und Opposition, den inhaltslosen Nachrichten von Gipfel- und Koalitionstreffen und -vereinbarungen in Sachen Armuts- und Behindertenpolitik oder der voyeuristischen Zurschaustellung individueller Armut verschwinden in der Massenhaftigkeit des bestehenden Elends und in der Darstellung der Systematik der Ursachen. Die sogenannte europäische Austeritätspolitik (Entbehrungs- und Sparsamkeitspolitik), die den Bevölkerungen die Lasten des Kapitals von Spekulanten, Banker, Börsenzocker und deren Lobbyisten in mass von Euro-Billionenen aufbürdet, wird auch und gerade auf Druck der deutschen Regierungen (Agenda 2010: SPD-GRÜNE, CDU/CSU-SPD; Agenda 2020: CDU/CSU-FDP und jetzt CDU/CSU-SPD.) durchgesetzt.
Jene Politiker schröpfen vor allem diejenigen, von denen man die geringste Gegenwehr erwartet. Zu diesen gehören, alle Rhetorik über »Inklusion« und »Teilhabe« zum Trotz, nicht zuletzt arme, kranke und behinderte Menschen.
Die „Zivilisation“ frisst an der Gegenwart und Zukunft ihrer Kinder mit und ohne Behinderungen!

Offensichtlich ist dies in den von der Krise besonders schwer getroffenen Staaten, und dies nicht nur innerhalb der EU, sondern globalweit. Die griechische Regierung zum Beispiel, so ist in einer Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung nachzulesen, kürzte 2011 das öffentliche Budget für orthopädische Hilfsmittel wie Rollstühle oder Prothesen um 50 Prozent.
Halbiert wurde auch die Finanzierung von Gebärdenübersetzungen für Gehörlose.
Spätestens seit diesen und weiteren drastischen Einschnitten gehen viele Behinderte in Griechenland, zum Teil buchstäblich, auf die Barrikaden.

Ähnliche Entwicklungen gibt es in Spanien. Anfang Dezember 2012 beteiligten sich in Madrid zehntausende Behinderte, Pflegebedürftige und Pflegekräfte an einer landesweiten Demonstration. Die spanische Regierung hatte zuvor die Kürzung von 2,7 Milliarden Euro im Pflegebereich angekündigt. Zudem litten Betroffene und Pflegekräfte unter der mangelnden Zahlungsmoral und der schleppenden Bearbeitung von Anträgen durch die Behörden. Unter den 75.000 Menschen, die im November des Jahres 2012 ihre Arbeit verloren hatten, waren insbesondere viele Pflegekräfte.

Wahrhaftig! Erst wenn wir erkennen, dass es uns an nichts fehlt, gehört uns die ganze Welt.

Von Gisela Maubach

Wenn es "richtig und sinnvoll" ist, Menschen mit Behinderungen immer und immer wieder an ihrer Arbeitskraft zu messen und zu würdigen, erklärt sich daraus auch, dass arbeitsUNfähige Menschen mit Behinderungen niemals eine derartige Lobby erreichen können.
Sie sind nämlich für keinen Arbeitgeber "sinnvoll" - außer für die Sondereinrichtungen, die an ihnen auch zukünftig verdienen sollen.
Wenn einer der Erstunterzeichner öffentlich erklärt, dass er nicht wie ein geistig Behinderter behandelt werden möchte, dann stellt sich im Umkehrschluss die Frage, wie seiner Meinung nach denn ein geistig Behinderter behandelt werden sollte?

Nun ist mittlerweile bekannt, dass das geplante Teilhabegeld auf die Sondereinrichtungskosten angerechnet werden soll, und denen, die keine Chance haben, da raus zu dürfen, soll nun auch noch das Kindergeld gestrichen werden . . .
. . . . und niemanden der Behinderten-"Vertreter" interessiert's, denn es ist ja nicht "sinnvoll".

Und immer noch wird das Abgrenzen der arbeitsfähigen Menschen mit Behinderung von den nichtarbeitsfähigen missbräuchlich mit dem Begriff Inklusion in Zusammenhang gebracht, obwohl immer deutlicher wird, für welche Menschen mit Behinderung es nicht (!) "sinnvoll" ist, sie teilhaben zu lassen!

Aber angesichts dieser bewussten Exklusion "werden wir nicht mehr sagen können, wir hätten von nichts gewußt"!!!