Bahn muss Ein- und Ausstieg für behinderte Menschen ermöglichen
Veröffentlicht am von Hartmut Smikac
Berlin (kobinet) Durch ein Rechtsgutachten, dessen Entwurf am Dienstag den beteiligten Schlichtungsparteien vorgestellt wurde, sieht sich die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. – ISL in ihrem Rechtsanspruch gegen die Deutsche Bahn (DB) in allen Punkten voll bestätigt. Die Schlichtungsstelle BGG hatte das Gutachten als letzte Schlichtungsmöglichkeit bei dem Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein aus Hamburg in Auftrag gegeben.
„Laut Gutachten ist die Deutsche Bahn bei entsprechender Voranmeldung verpflichtet, zu allen Zeiten mit Zugverkehr das Ein- und Aussteigen an allen Bahnhöfen als ´Angemessene Vorkehrung´ zu gewährleisten“, erläutert ISL-Geschäftsführerin Dr. Sigrid Arnade. Eine Verweigerung erfülle den Tatbestand der Diskriminierung, meint Arnade und beruft sich auf die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG).
Das Schlichtungsverfahren droht nun zu scheitern, nachdem sich die DB mehrfach weigerte, auf Vorschlag der ISL ambitionierte Zwischenlösungen anzubieten, um so das Serviceangebot für behinderte Fahrgäste weiter auszubauen. Ein behinderter Mensch im Rollstuhl darf bislang nur in den Dienstzeiten des Bahnsteigpersonals im Fernverkehr ein- und aussteigen. Außerhalb dieser Uhrzeiten wird die Mitfahrt von vornherein verweigert.
„Sollte die Deutsche Bahn und letztendlich die Haupteigentümerin, die Bundesrepublik Deutschland, trotz dieser eindeutigen Rechtslage nicht einlenken, werden wir bis zur letzten Instanz klagen“, kündigte die ISL-Geschäftsführerin an. Weiter fügt Arnade hinzu: „Alle bisherigen Schlichtungsangebote unsererseits wurden seitens der Regierung und der DB nicht umgesetzt. Unser bisheriges Entgegenkommen ziehen wir vollständig zurück – keine Testbetriebe und keine Pilotversuche mehr. Wir fordern jetzt den vollumfänglichen Service der Bahn, so wie es behinderten Menschen mit Mobilitätseinschränkungen in diesem Land zusteht, um endlich dem gleichberechtigten Zugang zum Verkehrsmittel Bahn ein Stück näher zu kommen".
Von Bernd Kittendorf
Die Fahrkarte für Rollstuhlfahrer ist in bestimmten Fällen sogar teurer als für andere Fahrgäste. Die Bahn verdient so zusätzlich durch ihre Service-Zeiten-Regelung. Ich habe schnell mal was abgefragt und das erste (!) Resultat auf die Auswirkung auf Rollstuhlfahrer hinterfragt:
Ergebnis einer Abfrage im Sparpreis-Finder der DB für den 22.07.2019 (also einen Monat vor dem Termin) für Mannheim Hbf nach Berlin Hbf: um 05:28 Uhr gibt es eine umsteigefreie und um 06:05 Uhr eine Verbindung mit 1x umsteigen für jeweils 59,90 EUR, um 06:32 Uhr eine (umsteigefrei) für 113,90 EUR, ansonsten ist man erst nach 12:00 Uhr am Zielbahnhof. Welche Fahrt bietet sich für den Rollstuhlfahrer an, der so ankommen muß? Richtig, die fast doppelt so teure, denn die Fahrt um 05:28 Uhr beginnt außerhalb der Service-Zeiten in Mannheim Hbf (06:00 - 24:00 Uhr und damit schon viel besser als in anderen Städten; "Die Internetseite der DB AG (www.bahn.de/ fahrgastrechte) bietet Informationen darüber, zu welchen Servicezeiten Personal vor Ort ist oder vorangemeldete und spontane Hilfeleistungen (inkl. Bedienung der Hublifte) möglich sind. " steht in der Drucksache 18/7932 des Deutschen Bundestags). Bei der Fahrt um 06:05 Uhr ist der Umstieg mit 10 Minuten in Frankfurt am Main Hbf recht knapp - da muß man als Rollstuhlfahrer an die MUZ (verlängerte Mindestumsteigezeit für mobilitätseingeschränkte Reisende) denken. Wie kann man die MUZ bei einer Verbindungsabfrage richtig auswählen? Gar nicht. Für Schlauberger: Natürlich kann man die "Umsteigezeit" von "Normal" auf "mindesten 10 Minuten" umstellen, doch das ist eben nicht unbedingt die jeweilige MUZ der Bahnhöfe! Bleibt 06:32 Uhr für 113,90 EUR. Wenn da noch ein Rollstuhl-Platz frei ist, was online weder abfragbar noch reservierbar ist. Wieso eigentlich noch immer nicht? Wir schreiben das Jahr 2019.
Von ZORRO
Thüringer Allgemeine vom 19.06.2019
„Bahn lässt Weimars Hauptbahnhof seit Langem hängen: Inzwischen sind schon zwei Aufzüge defekt ...“
https://www.thueringer-allgemeine.de/regionen/weimar/bahn-laesst-weimars-hauptbahnhof-seit-langem-haengen-id226220543.html