Der Unrechtsruck tumber toitscher Trumps

Veröffentlicht am von Harald Reutershahn

Harald Reutershahn
Harald Reutershahn
Bild: Bettina Wöllner-Reutershahn

... oder AlleNaive für Deutschland

Nein, dieser Alb war kein Gruseltraum. Es ist so passiert. Und nicht einfach nur so. Es wurde hervorgeholt.

Der Bundeswahlsonntag 2017 war ein Schandtag für die deutsche Geschichte. Ein ekelhaft hässliches Fossil mit dem Echo des Stahlgewitters im zahnlosen Maul wurde aus dem Geschichtsschlamm der finstersten deutschen Vergangenheit hervorgewürgt. "So was hätt' einmal fast die Welt regiert! / Die Völker wurden seiner Herr, jedoch / Dass keiner uns zu früh da triumphiert - / Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!" (aus dem Epilog des Dramas "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" von Bertolt Brecht). Das Gruselkabinett kleinkarierter Gartenzwerge will sich "sein Volk zurückholen", schwefelt der Ungeist aus dem Sprachwerkzeug des Gauleiters.

Dazu passend führt die Theaterwerkstatt Augsburg im Oktober und November die Tragikomödie "Aufstand der Gartenzwerge" auf: "Ein tragikomischer Monolog über Heimatverlust und Identitätskrisen in Zeiten von Flucht und Migration".

Der Aufstieg der tumben toitschen Trumps stellt einen Unrechtsruck mit den damit verbundenen Gefahren aus der unseligen Geschichte des frühen 20. Jahrhunderts dar und markiert einen Rücksturz in die Barbarei. Diese selbsternannte "Alternative für Deutschland" (AfD) wuchs auf dem Boden einer Politik des marktradikalen Sozialkahlschlags, der sich selbst seit zwölf Jahren als "alternativlos" (® Angela Merkel) inszeniert und zu legitimieren versucht. Nun erleben wir das Ergebnis davon: Die deutsch-nationale, faschistoide AfD zieht mit 12,6 Prozent in den Reichstag ein, deren Vorgänger in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 den Reichstagsbrand inszenierten und damit das "Ermächtigungsgesetz" der Nazis am 23. März 1933 zur Vollstreckung brachten. Der weitere Weg der Geschichte und ihre Folgen sind bekannt.

Nein, so weit sind wir glücklicherweise noch nicht. Erkennbar ist jedoch, dass diese Maulhelden der AfD eine Scharnierfunktion zu den offenen Faschisten haben. Mit 12,6 Prozent sind diese rechtsextremen Scharfmacher zur drittstärksten Partei im Bundestag geworden. In Sachsen ist sie stärkste und in Ostdeutschland insgesamt zweitstärkste Partei. Die bisherige Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD verlor 13,8 Prozent. Der Anteil der Nichtwähler lag bei 23,8 Prozent. Das wäre die zweitstärkste Fraktion im Bundestag, wenn sie im Parlament vertreten wäre.

Die Rechtsextremisten sind die Aufsteiger an der Abbruchkante. Die 12,6 Prozent für die AfD entsprechen den Ergebnissen der sogenannten "Sinus“-Studien, die seit den 80er Jahren belegen, dass 13 Prozent der (west-)deutschen Bevölkerung über ein "in sich geschlossenes rechtextremes Weltbild" verfügen. Zufall oder nicht? Jedenfalls beginnt sich der "Neofaschismus" in ganz Deutschland wie schon einmal in Form der NPD in den 60er Jahren zu restaurieren.

Wer hat das zu verantworten? (Oder sollten wir nach den Steigbügelhaltern fragen?)

Die Agenda-Politik von SPD und Grünen, die von CDU/CSU und zwischenzeitlich bis zu ihrem leider nur einstweiligen Rausschmiss aus dem Bundestag von der FDP im Dienste des Großkapitals fortgesetzt wurde, führte dazu, dass die Reallöhne der Millionen Geringverdiener in den letzten 20 Jahren bei rasant steigenden Lebenshaltungskosten um mehr als 10 Prozent zurückgingen. Das Millionenheer der Armut wächst in Deutschland von Jahr zu Jahr, während die Reichen und Superreichen sich daran bereichern und ständig reicher werden.

Das ist das viel gepriesene Wachstum der letzten 20 Jahre. Gewachsen ist der Klassenkampf von oben. Zynisch und obszön war demgegenüber der Bundestagswahlkampf 2017: gähnende Langeweile der Fassaden-Demokratie. Nahezu 40 Prozent der Bevölkerung in Deutschland wurden durch eine sozial schwache Politik abgehängt. Nicht zuletzt daran ist der Erfolg der faschistoiden Rechten gewachsen. So begann es auch im Mai 1924 - die Nazis bekamen 6,5 Prozent bei den Reichstagswahlen als Folge des wachsenden Massenelends in der Bevölkerung und gleichzeitig steigendem Reichtum in der Oberklasse. Kaum neun Jahre später brach der Naziwahnsinn aus.

Unrechtsruck ist die Folge von Unrechtsdruck.

Geschichte wiederholt sich nicht. Aber die Geschichte jenes rassistischen Taschenspielertricks, Sündenböcke zu jagen, als seien diesmal die sogenannten "Ausländer" für den Sozialkahlschlag verantwortlich (vormals waren es angeblich die Juden) und nicht verantwortungslose deutsche Politiker, die der Kapitalistenklasse dienen, wird noch immer aus der gleichen alten Mottenkiste geholt, um den Menschen im Land den Kopf zu verdrehen. Dabei sollte es sich doch inzwischen herumgesprochen haben, dass jene, die am lautesten "Haltet den Dieb!" rufen, meistens selbst die silbernen Löffel klauen.

Abgehängte Bevölkerungsgruppen neigen dazu, rechten Schreihälsen auf den Leim zu gehen. Doch die Ewiggestrigen sind nicht allein. Auf der Schleimspur der Bauernfänger findet man auch die krachlederne CSU, die als die größte Wahlverliererin (- 10,5 Prozent) jetzt kraftprotzig auf die Bretter haut und ihre "rechte Flanke schließen" will, denn sie schluckt lieber alle rechten Kröten als sie aus ihrem Wirtshaus zu jagen.

Das Bundestagswahlergebnis 2017 drückt vor allem große Bewusstseinswidersprüche aus. Viele Menschen empfinden zu Recht Angst, vor allem hinsichtlich ihrer sozialen Sicherheit und ihrer demütigenden Lebenssituation. Diese Unsicherheit hat Nichtwähler wieder zur Wahlurne gebracht. Sie wollten der Politik der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD eine Absage erteilen. Und sie haben dieser Politik eine Absage erteilt. Sie glaubten jedoch den falschen und demagogischen Versprechen und Losungen, indem sie mit der AfD eine Partei wählten, die keinen Hehl daraus macht, dass sie für einen sozialreaktionären, spalterischen, rassistischen Kurs steht, und sie wählten einen trügerischen "Ausweg", der sich über kurz oder lang gegen sie selbst richten wird.

Die Zukunft der bürgerlichen parlamentarischen Demokratie ist nach dem 24. September 2017 instabil und damit ungewiss geworden. Unverkennbar drohen im 21. Jahrhundert weitere autoritäre Deformationen. Die Gefahr eines schleichenden Faschismus droht im Krisenkapitalismus zuzunehmen. Abwehrkämpfe gegen den Abbau demokratischer Rechte und Kämpfe für die Demokratisierung von Gesellschaft und Wirtschaft werden notwendiger denn je.

Sollte tatsächlich eine Koalition aus CDU, CSU, Grünen und den elitegesteuerten Inklusionsgegnern von der Früheren Dritten Partei (FDP) die Regierung bilden, wird diese, vor allem auch mit dem Druck von rechts durch die AfD, für eine Verschärfung des aggressiven sozialreaktionären Kurses des unregulierten Marktradikalismus stehen. Durch die Macht der Finanzkartelle und des Monopolkapitals in Deutschland wäre das eine dramatische Gefahr für Europa und würde das Ausmaß des Massenelends vergrößern, den Hauptgrund der Fluchtursachen in der Welt.

Die Teilhabeverhinderungspartei SPD, die den sozialen Abstieg von vielen Millionen Menschen von der Agenda 2010 über Hartz-IV und Ölschmierung auf der sogenannten "Mietpreisbremse" zu verantworten hat und obendrein Waffenexportgeschäfte mit Saudi-Arabien, die Partei, die deutsche Kriegseinsätze möglich machte, sie gibt keinen Grund zur Hoffnung auf eine tatsächliche Oppositionspolitik. Zumindest nicht auf eine Oppositionspolitik gegen Krieg und sozialen Kahlschlag, wie sie dringend notwendig wäre.

Pathologische Selbstüberschätzung, fehlende Empathie, gestörte Impulskontrolle … Helfen uns Psychogramme der mächtigen tumben Trumps, die Geschichte besser zu verstehen? Wohl kaum. Die Erfahrung lehrt uns: Für eine Gesellschaft der sozialen Gerechtigkeit, ohne Behinderung durch Barrieren und für Inklusion in allen Lebensbereichen müssen wir selbst Hand anlegen und noch viel aktiver werden. Nötiger denn je ist eine außerparlamentarische Opposition, in der die Solidarität unser Trumpf ist. Stärker als alle Trumps der Welt ist jeder Trumpf der Solidarität in unserer eigenen Hand. Nicht irgendwann, sondern jetzt, denn von Jamaika ist es nicht mehr weit zum Bermudadreieck.

Lesermeinungen zu “Der Unrechtsruck tumber toitscher Trumps” (7)

Von kirsti

Hallo Herr Drebes,

da können wir gemeinsam hoffen (und bangen), dass es gelingen wird, was Harald Reutershahn schrieb:

„Abwehrkämpfe gegen den Abbau demokratischer Rechte und Kämpfe für die Demokratisierung von Gesellschaft und Wirtschaft werden notwendiger denn je.“

Von Sven Drebes

Hallo Kirsti,

es gibt für mich einen Unterschied zwischen "Verstehen" und "Auseinandersetzen" einerseits und "Verständnis zeigen / haben" andererseits. Letzteres ist in meinen Augen kein angemessener Umgang mit AfD-Wählern. Die Auseinandersetzung mit ihnen - oder einem Teil davon - und ihren Motiven ist meines Erachtens dagegen notwendig, wenn man das Ziel hat, weitere Wahlerfolge der AfD zu verhindert. Wenn A Rechts wählt, weil er um seine Rente fürchtet, unter Hartz IV leidet oder die Verschränkung zwischen Politik und Wirtschaft ablehnt - diese Interpretation legt ja die Kolumne von Herrn Reutershahn nahe - kann man ihn (wahrscheinlich) durch konkrete Änderungen der Politik davon abbringen, beim nächsten Mal wieder Rechts zu wählen. Ich habe in den letzten Tagen relativ viele Kommentarre aus dem linken Lager gehört und gelesen, die in diese Richtumg gehen. Meines Erachtens gehen sie am Kern des Phänomens vorbei, auch wenn es sicher x AfD-Wähler wie A gegeben hat. Die Diskussion über die As verdeckt - und verharmlost - aber die Bs, die wirklich Rechts eingestellt sind und mit der AfD endlich eine - in deren Augen - wählbare, weil gesellschaftlich nur teilweiise geächtetete Partei gefunden zu haben glauben. Die Bs erreicht man aber nicht mit Maßnahmen, die auf Motive der As zielen, teilweise würden derartige Maßnahmen bei den Bs sogar das Gegenteil bewirken. Daher bin ich davon überzeugt, dass man rechte Parteien nicht alleine mit Wirtschafts- und Sozialpolitik bekämpfen kann. Mindestens genauso wichtig ist der Kampf gegen Rassismuss, Antisemitismus, Sexismus, (Dis-)Ableismus, Heteronormativität usw.!
Was ist daran verharmlosend?

Von kirsti

@Sven Drebes
Die genauen Zahlen, wo in Baden- Württemberg oder in Sachsen, und wer, reiche Mittelständler oder weniger reiche Normalverdiener, AfD gewählt haben, spielen keine Rolle, sondern alleine die Tatsache, DASS diese Menschen die RECHTE AfD im Bewusstsein, dass sie RECHTS ist, gewählt haben, ist entscheidend. Diese Entscheidung mit einer allgemeinen Unzufriedenheit oder Unverständnis für politische Zusammenhänge zu begründen, grenzt meiner Meinung nach an Verharmlosung der rechten AfD. Sie schreiben doch selbst: diese AfD – Wähler sind „ernsthaft und aus Überzeugung gegen das“, wofür verantwortungsvolle Politik im Allgemeinen steht. Also ein Widerspruch in sich!

Von Sven Drebes

Soziales Abgehängtsein bzw. sozialpolitische Motive können den Erfolg der AfD nur teilweise erklären. Sonst hätten die Parteien links der Linken nicht deutlich weniger als 1% der Stimmen bekommen, und sonst hätte die AfD in eher wohlhabenden Regionen im Süden nicht so stark abgeschnitten.

Wenn wir die AfD wieder klein kriegen wollen, müssen wir uns damit auseinandersetzen, dass es eine nicht vernachlässigbare Gruppe in der Bevölkerung gibt, die ernsthaft und aus Überzeugung gegen das sind, wofüor wir eher Linken sind: Inklusion, Gleichberechtigung, kulturelle Vielfalt etc. Mit "Auseinandersetzen" meine ich nicht, Positionen aufzugeben oder diesen Leuten hinterherzulaufen. Es ist aber auch wenig sinnvoll, diese 6 oder 8 Millionen Menschen als "tumbe Toren" oder "Nazis" abzuqualifizieren. Damit geht nämlich die Gefahr einher, sie als "hoffnungslose Fälle" abzuschreiben, wodurch die AfD (oder ähnliche Parteien) bleiben oder wachsen würden. Es muss vielmehr darum gehen, diejenigen, die sich in der heutigen Gesellschaft zwar unwohl fühlen, aber noch ansprechbar sind zu erreichen und von den wirklichen "Betonköpfen" zu trennen.

Von kirsti

Enttäuscht bin ich darüber dass es die MACHT ist, an die Seelen verkauft werden. Für Macht ist man bereit, Gedanken und Ideale zu opfern. Die Parteien kämpfen um einen Futtertrog, obwohl sie ja alle nicht gerade verhungern. Die Wiederbelebung einer Außerparlamentarischen Opposition und das Motto: Keine Macht für Niemand! Diese Zeiten sind vorbei.

Allerdings wäre man zur Zeit der APO für eine rhetorische Entgleisung der Art „in die Fresse hauen“ nicht so milde davon gekommen. Die Zeiten sind härter und weniger sensibel geworden. Man lacht über Dinge, die nicht zum Lachen sind.

Von Behindert_im_System

Der Unrechtsruck tumber toitscher Trumps!

Na zumindest war der Wähler nicht so DUMM, den Parolen „HOCH die internationale SOLIDARITÄT“ von der Linken, MLPD und anderen Träumern auf den Leim zu gehen.

Egal wie sich alle nennen, jeder bekam sein Fett weg wie er es verdient hat und der Wähler es aus seiner Sicht wahrnahm. Die AFD ist keine Alternative für Deutschland ohne Frage, da die Themen welche das Wahlprogramm beinhalten, nicht unbedingt eine Sicherheit beim Wähler auslösen, wenn man sich die zurückliegenden Wochen und Monate personell und auch anders betrachtet. Was man aber nicht übersehen darf, egal wie man die AFD sieht oder bewertet, mit ihr wurde dem Wähler richtig verdeutlicht, was wir eigentlich für eine marode narzisstische Gesellschaft sind und dies nicht nur die Politik betreffend.
Mit kaltem Kaffee wird es niemals gelingen Veränderungen zu bewirken, denn nur die Tat verleidet den Wähler, bei der nächsten Wahl für ein besseres Ergebnis sich verführen zu lassen.

Von TN

Gibt es eine offizielle und inoffizielle Statistik, in der zu erlesen ist, wieviele Mitarbeiter/innen der DRV Bund, den 'Sozial'verbänden und 'Sozial'vereinen, der Arbeitsagenturen, der Krankenkassen (Körperschaften öffentlichen Rechts), der Bundesregierung, der Bundes- und Landesministerien die AfD gewählt haben?

Bei den Schreiben, aus denen Frau Maubach in ihren Leserbriefen bei kobinet dann und wann in Leserbriefen den Landschaftsverband zitiert , der ihr und ihrem Sohn _eigentlich_ helfen soll, habe ich eher den Eindruck, dass da AfD-Personal schreibt, was im Landschaftsverband verbeamtet ist.

Es scheinen also nicht die 'normalen' nicht verbeamteten Bürger/innen des Staates zu sein, die die AfD gewählt haben, sondern die Staatsbediensteten selber.

Von der Solidarität, die von Ihnen angemahnt und eingefordert wird, dass diese von Behindertem zu Behindertem zu leben sei, diese Solidarität gibt es (meiner Meinung und meiner Beobachtung nach) nicht.

Ach ja, und diese tumben Leute, wie die der AfD, sitzen ebenso in der FDP, namens Kubicki et.al.
Bei Kubicki passt die Zuschreibung 'Psychopath' und 'gestörte Impulskontrolle', siehe https://www.abgeordnetenwatch.de/newsletter/2017-09-08/politiker-will-bei-seinen-nebeneinkuenften-bewusst-taeuschen.