Reaktionen auf Wahlrechtsentscheidung

Veröffentlicht am von Ottmar Miles-Paul

Drei rote Ausrufezeichen
Drei rote Ausrufezeichen
Bild: ForseA e.V.

Karlsruhe / Berlin (kobinet) Die gestern Abend kurz vor 19.00 Uhr bekanntgegebene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Beschwerde der Fraktionen von FDP, LINKEN und Bündnis 90/Die Grünen gegen die drohenden Wahlrechtsausschlüsse zur Europawahl hat eine Reihe von Reaktionen aus der Politik und von Verbänden ausgelöst. Kurz nach der Entscheidung erreichte die kobinet-Redaktion beispielsweise bereits ein Kommentar aus Österreich, wo die Verhandlung sehr aufmerksam verfolgt wurde. Im folgenden fassen die kobinet-nachrichten einige der Stellungnahmen zusammen, die die Redaktion erreicht haben.

Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, teilte in einer gemeinsamen Presseinformation mit Corinna Rüffer mit: "Heute ist ein guter Tag für die Demokratie! Es ist ein guter Tag für die betroffenen Menschen." Für Corinna Rüffer, Sprecherin für Behindertenpolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen ist die Entscheidung des Verfassungsgerichts "ein großer Schritt für die Inklusion". "Zehn Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention haben wir nun endlich ein inklusives Wahlrecht. Wir fordern seit Jahren, die diskriminierenden Wahlrechtsausschlüsse behinderter Menschen zu streichen und haben dazu mehrfach Gesetzentwürfe vorgelegt. Dass nun das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden musste, ist ein Armutszeugnis für Union und SPD", erklärte sie.

Sören Pellmann, Sprecher für Inklusion und Teilhabe der Bundestagsfraktion der LINKEN brachte auf Facebook zum Ausdruck: "Ein großartiger Tag für die Demokratie, die Betroffenen und Europa. Das Bundesverfassungsgericht hat auch auf meine Initiative hin alle Wahlrechtsausschlüsse zur Europawahl 2019 ohne wenn und aber aufgehoben."

Auch für Jens Beeck, teilhabepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der FDP, war mit der gestrigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts "ein großer Tag für die Rechte von Menschen mit Behinderungen". Über Facebook freute er sich darüber, dass das Gericht dem gemeinsamen Antrag von FDP, LINKEN und von Bündnis 90/Die Grünen zugestimmt hat.

Für Matthias Bartke, den Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales und zuständigen Berichterstatter der SPD-Fraktion stellt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein salomonisches Urteil dar. Er erklärte: "Die Koalitionsfraktionen haben vergangene Woche einen Gesetzentwurf eingebracht, der Menschen unter Vollbetreuung das Wahlrecht ermöglichen soll. Der Gesetzentwurf soll aber erst am 1. Juli in Kraft treten, da das Gesetzgebungsverfahren seine Zeit braucht. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt entschieden: Alle Menschen unter Vollbetreuung können bereits zur Europawahl wählen, wenn sie einen entsprechenden Antrag stellen. Damit kann die Regierungskoalition ihren Gesetzentwurf wie geplant zu Ende bringen und Vollbetreute können auf Antrag doch noch an der Europawahl teilnehmen. Ein salomonisches Urteil!“

Das Deutsche Institut für Menschenrechte begrüßt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, dass alle Menschen mit Behinderungen bereits an der Europawahl am 26. Mai teilnehmen können. Valentin Aichele, Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte erklärte dazu: "Es ist der Initiative von Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu verdanken, dass nun bei der Europawahl über 84.000 deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger bei der Wahl zum Europäischen Parlament mit entscheiden dürfen. Karlsruhe hat damit einen massiven Rechtsverlust abgewendet. Durch Inklusion aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger stärkt die Entscheidung auch die europäische Demokratie."

Für Dr. Sigrid Arnade von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) stellte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine erneute Klatsche für die Regierungskoalition dar. "Die Regierung nimmt die Menschenrechte behinderter schlichtweg nicht ernst. Das wurde ihr nun schon mehrfach vom Bundesverfassungsgericht bescheinigt. Verzweifelt frage ich mich, wann lernen sie endlich daraus", erklärte sie kurz nach Bekanntwerden der Entscheidung aus Karlsruhe.

Für Ursula Engelen-Kefer, die 1.Vorsitzende des Landesverbandes Berlin Brandenburg des Sozialverbands Deutschland (SoVD) war gestern "ein guter Tag für das inklusive Wahlrecht." Der SoVD habe sich seit Jahren dafür eingesetzt, diese demokratiefeindliche Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen bei politischen Wahlen endlich zu beenden.

Lesermeinungen zu “Reaktionen auf Wahlrechtsentscheidung” (2)

Von Wolfgang Ritter

Sorry, Herrn Bartz hatte ich wegen der roten Ausrufezeichen mit OMP verwechselt.

Von Wolfgang Ritter

Sehr geehrter Herr Bartz,

Das BVG hat nicht erkennen lassen, ob mit der Verfügung zur Teilnahme an der EU Wahl, gleichzeitig die Möglichkeit der persönlichen Antragstellung zur Teilnahme an der Wahl sich ermöglicht, wenn z.B. eine Betreuung für Ämter und Behörden eingerichtet ist? Heute haben wir den 16.04.2019 und bis zum 26.05.2019 verbleiben noch fünf Wochen wobei in drei Wochen spätestens vier Wochen alles in trockenen Tüchern sein müsste, was für den einzelnen Erstwähler an Formalitäten zur Teilnahme erforderlich ist, nur da habe ich wirklich meine berechtigten Zweifel, dass bei aller uns bekannten Bürokratie alle Berechtigten 82000 Menschen in den Genuss zum Wählen am 26.05.2019 kommen werden.

Unsere Wünsche sind das eine, die Realität aber gelegentlich überzeugender.

Ich bestreite nicht, das zur nächsten Bundestagswahl geordnete Verhältnisse herrschen, jetzt zur EU Wahl im Mai wird keinesfalls jeder welcher unter Betreuung steht, ohne seinen Betreuer tätig werden können, will man den Betreuer in seiner gerichtlich übertragenen Aufgabe nicht beschneiden. Wenn die Eltern oder sonstigen Angehörigen welche mit der Betreuung betraut sind, es dann was die Antragstellung betrifft, begleiten ist es okay, sonst darf man seine berechtigten Zweifel haben, dass alle 82000 Menschen am 26.05.2019 ihre Stimme abgeben, sofern sie es überhaupt wollen?